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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Arm. » Nein, ich habe, wofür ich gekommen bin«, sagte er, und seine Stimme klang wie knirschender Kies unter den Schuhen eines Schurken.
    » Es sind meine Bilder«, sagte die Frau.
    » Nein, du darfst da nicht reingehen. Was willst du sagen, wer du bist? Weißt du das überhaupt?«
    » Das muss ich nicht wissen. Ich bin verschleiert.« Sie beugte sich herab und fuhr mit dem Finger im Spitzenhandschuh über die Wange des kleinen Mannes. » Bitte, cher. Es werden so viele Maler da drinnen sein.«
    Père Lessard bemerkte, dass er die Luft anhielt, in der Hoffnung, sie würde ihren Schleier lüften. Tausend schöne Frauen standen auf dem Weg, doch ein Blick in deren Gesichter hatte nichts Magisches. Er musste hinter diesen Schleier blicken.
    » Zu viele Menschen«, sagte der kleine Mann. » Große Menschen. Ich mag keine Menschen, die größer sind als ich.«
    » Alle sind größer als du, cher.«
    » Ja, große Menschen können lästig sein, Monsieur«, sagte Lessard. Er wusste nicht, wieso. Es war gar nicht seine Art, sich in fremder Leute Unterhaltung einzumischen, nicht einmal in seiner eigenen Bäckerei, aber diese Frau… » Verzeihung, aber ich habe versehentlich Ihr Gespräch mit angehört.«
    Der kleine Mann blickte auf und blinzelte in den sonnigen Frühlingshimmel. Seine Augen saßen so tief unter der Stirn, dass sich kaum Licht in ihnen spiegelte, wie Laternen, die in einer dunklen Höhle verschwanden. Die Frau drehte sich um und sah Lessard an. Durch den spanischen Schleier erkannte der Bäcker ein blaues Halsband und den Anschein weißer Haut.
    » Ihr seid doch selbst groß«, sagte der kleine Mann.
    » Seid Ihr ein Maler?«, fragte die Frau mit einem Lächeln in der Stimme. Père Lessard fühlte sich überrumpelt. Er war weder groß noch Maler, also sollte er sich besser für seine Unverfrorenheit entschuldigen und weitergehen, doch als er den Kopf schüttelte und etwas antworten wollte, sagte die Frau: » Dann haben wir keine Verwendung für Euch. Seid so freundlich und verpisst Euch.«
    » Gern«, sagte Lessard und drehte auf dem Absatz um, als hätte ihm ein General die Kehrtwende befohlen. » Ich bin so freundlich«, sagte er.
    » Lessard!«, rief eine vertraute Stimme aus der Menge. Der Bäcker blickte auf und sah Camille Pissarro auf sich zukommen. » Lessard, was machst du denn hier?«
    Lessard schüttelte Pissarros Hand. » Ich bin hier, um mir deine Bilder anzusehen.«
    » Du kannst meine Bilder jederzeit sehen, mein Freund. Madame Lessard liegt in den Wehen, wie man hört. Julie ist den Hügel hinauf, um zu helfen.« Pissarro und seine Frau Julie lebten bei ihrer Mutter in einer Wohnung am Fuße des Montmartre. » Du solltest lieber nach Hause gehen.«
    » Nein, da wäre ich nur im Weg«, sagte Lessard.
    Später würde er Pissarro anschreien: » Woher hätte ich auch wissen sollen, dass sie mir einen Sohn schenken würde? Sie hat dieselben tochtergebärenden Laute von sich gegeben wie sonst und meine Männlichkeit verflucht. Ich liebe meine Töchter, aber bei der zweiten hatte sich die Gefahr bereits verdoppelt, dass eine davon mir das Herz brechen würde. Und jetzt noch eine dritte? Ich fand es nur angemessen, der Kleinen Zeit zu lassen, meinen Ruin mit ihrer Mutter und ihren Schwestern zu planen, bevor ich den ersten Blick in ihre Kleinmädchenaugen werfen und einmal mehr mein Herz verlieren würde.«
    » Aber Madame hat dir einen Jungen geschenkt«, sagte der Maler. » Also hast du kein gebrochenes Herz zu fürchten.«
    » Das bleibt abzuwarten«, sagte Lessard. » Ihre Verschlagenheit ist nicht zu unterschätzen.«
    Direkt vor dem Palast wandte sich Lessard um, weil er den kleinen Mann und die Frau mit der spanischen Spitze um Verzeihung bitten wollte, doch sie waren fort, und schon im nächsten Augenblick hatte er sie vergessen. » Gehen wir uns die genialen Meisterwerke ansehen!«, sagte er zu Pissarro.
    Ein gackerndes Lachen hallte aus dem großen Saal herüber, und eine Woge von Gelächter ging durch die Menge, wenn sie auch nicht sehen konnten, was diese Reaktion ausgelöst hatte.
    » Geniale, verpönte Meisterwerke…«, sagte Pissarro, und ein befremdlicher Unterton der Verzweiflung trübte seinen karibischen Tonfall.
    Sie schoben sich in die Menschenmenge, die in den Palast drängte: feine Herren mit Zylinder, schwarzem Frack und engen, grauen Hosen, Frauen in schwarzen Krinolinen und schwarzer oder dunkelbrauner Seide, die Säume der langen Röcke staubig, die neue Arbeiterklasse,

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