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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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die Männer mit weiß-blau gestreiften Jacketts und steifen Strohhüten, die Frauen in hübschen, bunten Kleidern, mit rüschenbesetzten Sonnenschirmen in Pastell, das Mandala des sonntagnachmittäglichen Müßiggangs, ein neuartiges Geschenk der industriellen Revolution.
    » Aber du sagtest doch, der Salon bestünde nur aus Scharlatanen.«
    » Ja«, sagte Pissarro. » Öde Akademiker.«
    »› Sklaven der Tradition‹, sagtest du.«
    Inzwischen schlurften sie durch die Räume der Ausstellung, in denen sich die Menschen drängten und es drückend heiß war. An den Wänden hingen vom Boden bis zur Decke gerahmte Leinwände aller Größen, ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Werkes, da die Bilder in alphabetischer Reihenfolge nach dem Familiennamen des Künstlers aufgehängt waren.
    Pissarro blieb vor einer Landschaft mit einer skandalös gewöhnlichen, roten Kuh stehen. » Die Feinde der Vorstellungskraft«, sagte der Maler.
    » Hätten die Ignoranten dich nicht zurückgewiesen«, sagte Lessard in einem Impuls von künstlerischer Anarchie, » hättest du dich weigern müssen, deine Bilder bei ihnen auszustellen.«
    » Nun ja«, sagte Pissarro und strich dabei über seinen Bart, den er auf die rote Kuh gerichtet hielt. » Aber vielleicht hätte ich vorher noch einige verkauft. Wer malen will, muss essen.«
    Und das war der Haken. Zwar mochte es eine absolut legitime Berufswahl sein, als Maler in Paris leben zu wollen, und damals gab es achtzehntausend Maler in der Stadt, doch verdiente man seinen Lebensunterhalt als bildender Künstler nur durch den von der Regierung geförderten Salon. Allein mit Hilfe des Salons konnte ein Künstler seine Werke der Öffentlichkeit präsentieren und auf diese Weise Verkäufe und öffentliche Aufträge erreichen. Wer ausgeschlossen wurde, musste hungern. In diesem Jahr jedoch hatte die Jury des Salons, die sich in der Tat aus traditionellen, akademischen Malern zusammensetzte, mehr als dreitausend Bilder zurückgewiesen, was einen öffentlichen Aufschrei nach sich zog. Kaiser Louis Napoleon beschloss, die Bevölkerung zu beruhigen, indem ein Salon des Refusés für die abgewiesenen Bilder ermöglicht wurde. Pissarro zeigte zwei seiner Gemälde, beides Landschaften, keine davon mit roter Kuh.
    » Ihr denkt bestimmt, auch Euren Bildern hätte eine rote Kuh gutgetan«, hauchte eine Frauenstimme ins Ohr des Malers. Fast zuckte er zusammen, dann wandte er sich um und sah eine Frau rechts neben sich, mit einem Hut und einem Schleier aus spanischer Spitze, der ihr Gesicht verbarg.
    Lessard schien schon in den nächsten Raum gegangen zu sein, denn er war nicht mehr da.
    » Dann haben Sie meine Landschaften gesehen, Mademoiselle?«
    » Nein«, sagte die Frau, » aber ich habe einen Sinn für solche Dinge.«
    » Woher wussten Sie dann, dass ich Maler bin?«
    » Farbe unter Ihren Nägeln, cher. Und Sie betrachten die Farbe, nicht das Bild.«
    Es verunsicherte Pissarro, von dieser fremden, verhüllten, unbegleiteten Frau cher genannt zu werden. » Nun, da stand keine Kuh, also habe ich keine Kuh gemalt. Ich male, was ich sehe.«
    » Ein Realist also? Wie Corot und Courbet?«
    » So in etwa«, sagte Pissarro. » Ich interessiere mich mehr für Licht und Farbe, als dass ich etwas erzählen will.«
    » Oh, ich interessiere mich auch für Licht und Farbe«, sagte die Frau, nahm den Arm des Malers und drückte ihn spielerisch an ihre Brust. » Besonders für die Farbe Blau. Eine blaue Kuh vielleicht?«
    Pissarro spürte, wie sich auf seinem Kopf Schweißperlen bildeten. » Pardon, Mademoiselle, ich muss meinen Freund suchen.«
    Pissarro schob sich durch die Menge, vorbei an Hunderten von Bildern, ohne auch nur hinzusehen, und fühlte sich, als hetze er durch einen Dschungel, fort von irgendeinem düsteren Voodoo-Ritual, das er gestört hatte. (Was ihm als kleinem Jungen auf Saint Thomas passiert war, und noch heute kam er an keiner Pariser Kathedrale vorbei, ohne zu argwöhnen, dass dort drinnen dunkle Rituale abgehalten würden, bei denen blutige Hühnerfedern und schweißüberströmte, entrückte Afrikanerinnen eine zentrale Rolle spielten. Für einen weltlichen, karibischen Juden war der Katholizismus wie ein böser, undurchschaubarer Stiefbruder, der ihm überall auflauerte.)
    Er holte Lessard im Saal » M« ein. Der Bäcker stand hinter einem Halbkreis von Leuten, die sich um eine große Leinwand versammelt hatten. Sie zeigten mit den Fingern und lachten.
    Der Bäcker blickte zu seinem Freund

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