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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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verlängern einfach das Wadengestänge, damit Sie Abstand von den heißen Boilern haben, und voilà! Sie sind eins achtzig groß.«
    » Aber alle Welt weiß, dass ich kurze Beine habe. Muss ich jetzt etwa Paris verlassen, um Ihr Laufgestell zu benutzen?«
    » Menschen verlassen sich auf ihre Wahrnehmung, nicht auf ihr Gedächtnis. Der Mechanismus wird unter Ihren Hosenbeinen verborgen sein. Sie müssen nur ein paar Mal am Abend verschwinden, um Brennstoff aufzufüllen. Vielleicht öfter, wenn getanzt wird.«
    Inzwischen konnte sich Henri kaum noch beherrschen. » Ich soll also Kohle in meine Schuhe schaufeln, in der Hoffnung, dass es niemandem auffällt, während Rauch und Dampf… was ist mit der heißen Luft?«
    » Es entsteht kaum mehr Rauch als von einer Zigarre, und der Dampf sollte im Licht einer Gaslaterne kaum zu sehen sein. Er tritt an der Rückseite der Hose aus, unter den Rockschößen.«
    » Fabelhaft!«, sagte Henri. » Ebendiesen Ausgang nutze ich für meine eigenen Dämpfe. Ich möchte sie sogleich ausprobieren. Sobald wir erfahren haben, was bei der Untersuchung der Farben herausgekommen ist.«
    » Ach ja«, sagte der Professeur. » Die Farben. Ich hole sogleich die Unterlagen.«
    Er ging ins Hinterzimmer, das wohl einmal das Schlafzimmer gewesen sein mochte, doch deutete bei einem Blick durch die Tür nichts darauf hin, dass dort ein Bett stand, nur Arbeitstische und wissenschaftliche Gerätschaften.
    Lucien beugte sich zu Henri vor und flüsterte: » Willst du diese Beine wirklich ausprobieren?«
    » Absolut«, flüsterte Henri zurück. » Aber ohne sie unter Hosen zu verstecken. Ich werde sie sichtbar tragen. Hast du gehört, Lucien? Tanzen! Auf meinen mechanischen, dampffurzenden Beinen. In Pigalle wird man mich feiern.«
    » Ach du Schreck«, sagte Lucien.
    » Was?«
    » Ich glaube, deine neuen Wunderfüße brennen.«
    In der Tat züngelten Flammen aus den Schuhen der Lokomotoren und leckten an den Messingbeinen.
    » Ich hole Wasser«, sagte Lucien, sprang auf und rannte in die Küche.
    » Bring den Cognac mit«, sagte Henri.
    Fünf Minuten später waren die Flammen gelöscht, und die drei saßen mit traurigen Mienen da und betrachteten die verkohlten Überreste der Dampfstelzen, die inzwischen draußen vor der offenen Tür standen, im Staub, wie das verkohlte Skelett eines Kanonenkugelfängers, dessen letzte Kugel seinen Oberkörper mit auf die Reise genommen hatte.
    » Vielleicht irgendwas mit einem Uhrwerk«, sagte der Professeur wehmütig.
    » Solange nur das Pendel beeindruckt«, sagte Henri. » Ich habe einen Ruf zu verlieren.«
    » Nun, Professeur«, sagte Lucien. » Wegen der Farben…«
    » Ja«, sagte Henri. » Ist darin so etwas wie eine Droge?«
    Der Professeur wühlte in seinen Papieren herum, bis sie angemessen ungeordnet waren.
    » Wie Sie wissen, existiert seit Newton die Theorie, dass jedes Material seine ganz eigene Lichtbrechung besitzt, doch gibt es über die visuelle Analyse hinaus keinerlei Möglichkeit, diese Eigenheit zu quantifizieren.«
    » Was bedeutet?«, fragte Henri.
    » Unserem Auge erscheinen rote Dinge rot«, sagte Lucien.
    » Genau«, sagte der Professeur.
    » Ist es denn nicht offensichtlich, dass man kein Wissenschaftler sein muss, um zu sehen, dass das offensichtlich ist?«, fragte Henri.
    » Genau«, sagte der Professeur. » Weshalb ich die neue Methode eines russischen Wissenschaftlers angewendet habe, die sich › Chromatographie‹ nennt und bei der Substanzen in einer Flüssigkeit verteilt werden, um diese dann entweder auf Papier oder in dünne Röhrchen zu geben. Jede Substanz zeichnet sich durch ihre individuelle Wanderfähigkeit aus. Eine Farbe aus verschiedenen Mineralien, sagen wir: ein Orange, das aus rotem und gelbem Ocker besteht, verteilt sich auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Besteht das Rot jedoch aus einem anderen Mineral oder einem Insekt wie der Koschenillelaus, findet es in der Flüssigkeit wiederum eine völlig andere Verteilung.«
    » Und was ist mit Zusätzen, die nicht Teil der Farbe sind, wie etwa eine Droge?«
    » Ja, die auch«, sagte der Professeur. » Aber die Chromatographie ist eine neue Methode, und bisher hat noch niemand das Verhalten der einzelnen Elemente aufgeschlüsselt, also habe ich einen einfachen Vergleich vorgenommen. Ich ging zu Gustave Senneliers Laden bei der École des Beaux-Arts. Er stellt seine Farben allesamt aus reinen Trockenpigmenten her und mischt sie entsprechend den Vorlieben der einzelnen Maler. Da

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