Verflixtes Blau!
unterstrich jeden Satz, indem sie einen Schwall schlammig-blaues Wasser nach dem Farbenmann spritzte.
Seit zweihundert Jahren versorgten sie nun schon die Glasbläser, zogen mit ihnen von einem Lager zum nächsten, von Venedig bis nach London, wo diese ihre Öfen bauten und das Glas für die Fenster der Kathedralen herstellten. Der Farbenmann besorgte das Pigment, um einen besonderen Blauton herzustellen, das Sacré Bleu, und sie verführte die Glasbläser. Unglücklicherweise wurden die Öfen meist im Freien errichtet oder zumindest in der Nähe eines Waldes, wo genügend Holz zur Verfügung stand, und auch das Glas wurde entweder im Freien oder in provisorischen Zelten gelagert. Dadurch sahen sich Bleu und der Farbenmann gezwungen, auch das Blau unter freiem Himmel herzustellen, wobei sie stets Gefahr liefen, dabei beobachtet zu werden. Es war ein befremdlicher Anblick, und die Menschen im Mittelalter nahmen ihn nicht sonderlich gut auf.
» Du bist die Blaue«, sagte der Farbenmann.
» Du hättest mich retten können.«
» Hab ich doch.«
» Vorher.«
» Ich war beschäftigt. Ließ sich nicht vermeiden. Dafür hab ich dich damals in Paris gerettet. In Notre-Dame.«
» Ein Mal! Von wie vielen Malen? Bauern haben keine Phantasie. Die kennen nur eine Lösung.« Sie unterstrich ihr Argument mit einem Spritzer. » Die Ernte verdirbt? Verbrennt das blaue Mädchen! Fieber im Dorf? Verbrennt das blaue Mädchen! Dachse haben den Müller gefressen? Verbrennt das blaue Mädchen!«
» Wann haben die Dachse den Müller gefressen?«
» Haben sie nicht. Es sollte nur ein Beispiel sein. Aber du weißt genau: Wenn sie es getan hätten, würden die Dörfler als Allheilmittel das blaue Mädchen verbrennen. Die › Hexe‹ dies, die › Hexe‹ das. Dabei ist es ja nicht so, als wäre es einfach, einem Glasbläser so den Kopf zu verdrehen, dass er einen für die gottverfluchte Jungfrau Maria hält, und ihm dann die nötige Inspiration einzubläuen. Ich sage dir, Stinkfurz, diese Schuldstrategie, die die Kirche fährt, tut der Kunst nicht gut.«
» Vielleicht sollten wir uns neue Glasbläser suchen«, sagte der Farbenmann.
Sie tauchte unter, rubbelte ihre Haare, solange sie die Luft anhalten konnte, dann kam sie zitternd wieder hoch. » Ach, meinst du wirklich? Wir können ja wohl kaum hierbleiben, wo mich alle als die Dorftrine kennen, oder? Hier kann ich nur auf dem Marktplatz Erde fressen und den popeligen Priester poppen.«
» Du könntest dich ändern.«
» Nein, ich weigere mich, mehr als ein Mal im selben Dorf verbrannt zu werden. Besorge mir ein sauberes Kleid, dann ziehen wir weiter.«
Und genau das taten sie.
Achthundert Jahre lang galt die Formel zur Herstellung des blauen Glases in den Fenstern der Kathedrale von Notre-Dame des Chartres als verloren, obwohl sie einfach nur weitergezogen war. Für Bleu hatten die gotischen Kathedralen ihren Charme durch die Hexenverbrennungen mehr oder weniger eingebüßt.
Man sagt: » Der Geist von Paris lebt am linken Ufer, das Geld am rechten«, und der Geist des linken Ufers war das Quartier Latin, das so hieß, weil die Sprache der Universitätsstudenten das Lateinische war, und zwar seit achthundert Jahren.
» Ich mag das Quartier Latin nicht«, sagte Juliette. Sie holte eine Möhre aus der Tasche des Farbenmannes und biss die Spitze ab. Etienne versuchte, das Grünzeug anzuknabbern, doch sie schob seinen Kopf mit dem Ellbogen weg. » Die vielen Studenten mit ihrer ewigen Grübelei und den pickligen Gesichtern nerven mich. Und alle guten Maler sind drüben auf dem Montmartre oder in Batignolles.«
» Dann such dir eben einen neuen Maler und zieh bei ihm ein«, sagte der Farbenmann.
Sie war selbst schuld, dass er eine Wohnung im Quartier Latin mieten musste, wo er einiges versteckt hatte, von dem sie nichts wusste. Zu gern hätte er ihr gesagt, dass es ihre Schuld war, dass sie das Bild des Holländers nicht bekommen hatten, und dass es ihre Schuld war, dass sie das Bild des Bäckers hatten zurücklassen müssen, und wenn es anders gelaufen wäre, hätten sie sich eine hübsche Wohnung im 1. Arrondissement gesucht, mit besseren Läden, dem Markt von Les Halles und dem Louvre in der Nähe, aber sie war in dieser Stimmung, die sie manchmal überkam, diese Stimmung, wenn sie so davon genervt war, die Mutter Gottes zu spielen, dass sie einem ohne Weiteres einen Stock ins Auge stechen konnte, und er wollte sie nicht drängen.
» Was nützt uns ein neuer Maler, wenn wir
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