Verflixtes Blau!
kein Blau haben?«, sagte Juliette.
» Was ist mit dem Bruder dieses Holländers? Bestimmt ist das Bild bei ihm. Wenn der Holländer dem Zwerg von uns erzählt hat, dann sicher auch seinem Bruder.«
» Falls er es haben sollte, wollte er es mir nicht zeigen. Ich habe mir Hunderte von Vincents Bildern angesehen. Keines davon war mit Sacré Bleu gemalt.«
» Du musst dich um die Erinnerungen des Bruders kümmern.«
» So wie ich aussehe, kann ich nicht wieder auf den Montmartre. Sobald die Familie anfängt, dir den Schädel einzuschlagen, wird es Zeit, die Strategie zu wechseln. Wenn du möchtest, dass ich noch mal hingehe, brauche ich das Blau.«
» Falls wir die Farbe kriegen, musst du die Angelegenheit ins Reine bringen.« Der Farbenmann nahm seinen Hut ab und kratzte sich am Kopf, einem Flickenteppich aus struppig schwarzen Haaren. Vielleicht konnte er die Farbe besorgen, doch er wollte nicht, dass sie erfuhr, woher das Blau kam, was schwierig werden würde, da er für die Herstellung ihre Hilfe brauchte. Vielleicht sollte er sich einfach eine Schusswaffe kaufen und anfangen, Maler zu erschießen. Das war erheblich einfacher. » Wenn du sie nicht vergessen machen kannst, den Bäcker, den Zwerg und den Bruder des Holländers, dann musst du sie beseitigen.«
» Ich weiß.« Sie nahm Etienne das Möhrengrün weg, der daraufhin empört nach ihr schnappte. Dann merkte sie, dass sein großer, erigierter Eselpimmel feucht über den Rand des Sofas hinausragte. Sie schlug mit ihrer Möhre an die Eichel, und der Esel schrie auf wie ein kaputter Blasebalg.
» Er hat dich vermisst«, erklärte der Farbenmann.
18
Zeit der Züge
E s ist halb drei. Es ist halb drei. Es ist halb drei.« » Du sollst die Uhr im Auge behalten, um dich zu konzentrieren«, erklärte der Professeur, der seine Taschenuhr vor Luciens Gesicht baumeln ließ. » Nicht um ständig die Uhrzeit anzusagen.«
» Das wusste ich nicht.« Lucien blinzelte die Uhr an. Seit einer halben Stunde suchten sie nun schon einen Zugang zu seinen frühesten Erinnerungen an den Farbenmann, doch sie hatten bisher nur die Uhrzeit gefunden. » Sie haben gesagt, ich soll mich auf die Uhr konzentrieren. Ich dachte, Sie wollten wissen, wie spät es ist.«
» Wann fängt er an, sich wie ein Huhn aufzuführen?«, fragte Henri. » Ich muss bald in die Druckerei.«
» Der zu Hypnotisierende muss für die Hypnose empfänglich sein«, sagte der Professeur. » Vielleicht sollten wir es mit Ihnen versuchen, Monsieur Lautrec.«
» Und die vielen tausend Francs vergeuden, die ich für Alkohol ausgegeben habe, um genau diese Erinnerungen zu vertreiben, die Sie wachrufen wollen? Ich glaube kaum. Aber ich habe eine Idee, die bei Lucien funktionieren dürfte. Könnten wir ein Experiment wagen?«
» Gewiss«, sagte der Professeur.
» Dafür bräuchte ich den Rest der blauen Ölfarbe, die ich Ihnen zur Analyse überlassen habe.«
Der Professeur holte die Tube aus dem Schlafzimmer/Laboratorium und gab sie Lautrec, der sie aufschraubte.
» Ich werde keine Farbe essen«, sagte Lucien.
» Du musst sie auch nicht essen«, sagte Henri. » Du sollst sie dir nur ansehen.« Und mit diesen Worten drückte er einen Farbklecks auf die Uhr des Professeurs und verschmierte ihn auf dem Zifferblatt.
» Diese Uhr gehörte meinem Vater«, sagte der Professeur und betrachtete stirnrunzelnd sein frisch gestrichenes Zeiteisen.
» Im Namen der Wissenschaft!«, erklärte Toulouse-Lautrec. » Versuchen Sie es jetzt noch mal.« Er hinkte in die Küche. » Haben Sie denn nicht wenigstens Sherry zum Kochen?«
Der Professeur ließ die Uhr vor Luciens Gesicht baumeln. » Wenn du dich jetzt einfach nur auf die Uhr konzentrieren könntest, auf das Blau.«
Lucien saß kerzengerade auf dem Sofa. » Ich sehe keinen Sinn darin. Woran soll ich mich erinnern?«
Henri kehrte mit einer sehr staubigen Flasche Brandy in der Hand ins Wohnzimmer zurück. » Wir wissen erst, woran du dich erinnerst, wenn du dich daran erinnerst.«
» Glauben Sie, es wird mir helfen, Juliette zu finden?« Denn daher rührte der Widerstand. Lucien fürchtete, der Professeur könnte tatsächlich dazu in der Lage sein, verlorene Erinnerungen wachzurufen, und was wäre, wenn ihm wieder einfiel, dass seine Juliette gewissermaßen eine falsche Schlange war? Er konnte es nicht ertragen.
» Moment mal. Henri, du sagtest, Carmen hätte sich nicht an dich erinnert, aber sie war nicht unfreundlich zu dir, oder? Sie machte nicht den Eindruck,
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