Verflixtes Blau!
Farbenmann als Nächstes sagt, aber Monsieur Monet lacht ihn aus und nimmt die Farbe.«
» Arbeitet der Farbenmann mit einem Mädchen?«, fragte Henri. » Siehst du ein Mädchen?«
» Ja. Nicht direkt beim Farbenmann, aber in der Nähe. Sie steht im Bahnhof, aber es ist noch sehr früh, und kaum ein Mensch ist da.«
» Wie sieht sie aus?«
» Ich kann sie nicht richtig sehen. Sie hält einen Schirm in der Hand, und der verbirgt ihr Gesicht. Sie ist klein, dünn. Nach ihrem Kleid und der Haltung zu urteilen, würde ich sagen, sie ist ziemlich jung.«
» Kommst du näher heran?«, fragte der Professeur. » Versuch mal, einen Blick auf sie zu werfen.«
» Ich stelle die Staffeleien ab und gehe auf sie zu. Sie blickt hinter ihrem Schirm hervor, dann hastet sie davon, zum Ausgang an der Rue de Rome. Als sie in den Regen hinaustritt, muss sie den Schirm anheben. Ja, sie ist jung. Hübsch.«
» Kennst du sie?«
» Kannst du ihre Brüste berühren?«, fragte Henri.
» Monsieur Toulouse-Lautrec, ich muss doch sehr bitten«, sagte der Professeur.
» Was? Sie ist eine Illusion, da gelten keine Anstandsregeln.«
» Es ist Margot«, sagte Lucien. » Das Mädchen, das Monsieur Renoir im Moulin de la Galette gemalt hat. Sie beugt sich vor, spricht hinter ihrem Schirm mit dem Farbenmann. Gemeinsam gehen sie weg. Ich will versuchen, ihnen zu folgen.«
Paris 1877 , Gare Saint-Lazare
» Ich bin der Maler Monet«, verkündete Monet dem Bahnhofsvorsteher. Der Schaffner, der Monets Visitenkarte vorgelegt hatte, stand am Schreibtisch des Vorstehers, in halber Verbeugung vor dem feinen Herrn erstarrt. Lucien wartete– wie vereinbart– sabbernd in der Tür und balancierte mit zwei linken Händen die drei Staffeleien, Monets Farbenkasten und eine breite Holzkiste zum Transport der feuchten Leinwände.
Monet trug ein Samtjackett, dazu eine seidene Weste mit goldener Uhrkette, Spitzenmanschetten an den Handgelenken, eine schwarze Seidenkrawatte um den Hals gebunden und mit perlenbesetzter Krawattennadel festgesteckt– von Kopf bis Fuß ein Gentleman, ein Dandy, Herr über seine Welt. Das Revers beulte ein wenig aus und verriet ein halbes Baguette, das unter seiner Jacke versteckt war, die Reste des Frühstücks, das ihm Mère Lessard hatte zukommen lassen, da er kein Geld besaß, mit dem er sich etwas hätte kaufen können.
» Ich habe beschlossen, Ihren Bahnhof zu malen«, sagte Monet. » Ich gebe zu, ich war hin- und hergerissen zwischen dem Gare du Nord und Ihrem Bahnhof, doch ich finde, Ihr Bahnhof hat mehr Charakter, und so soll es der Gare Saint-Lazare sein, der geehrt wird.«
Der Bahnhofsvorsteher, ein dürrer, nervöser Mann mit halber Glatze– wie geschaffen für die Bürokratie– fühlte sich geschmeichelt. Er stand am Schreibtisch, in seinem ockergelb karierten Anzug, und begann in seinen Unterlagen herumzuwühlen, als könnte ihm irgendetwas auf dem Schreibtisch den Wert seines Bahnhofs bestätigen.
» Das ist mein Assistent Lucien«, verkündete Monet, machte auf dem Absatz kehrt und schritt in die große Halle des Bahnhofs voraus. » Er ist ein Einfaltspinsel, aber ich erlaube ihm, mein Handwerkszeug zu tragen, damit er nicht verhungern muss. Seien Sie unbesorgt, falls er Farbe essen sollte. Ich gestatte ihm eine halbe Tube täglich.«
» Bonjour«, sabberte Lucien.
Der Bahnhofsvorsteher und der Schaffner nickten dem Jungen unbehaglich zu, dann schoben sie sich in der Tür an ihm vorbei, als könnten sie sich bei einer Berührung anstecken, und folgten Monet auf den Bahnsteig unter die große Uhr hinaus.
» Ich möchte den Dampf und den Rauch malen, das Wüten der Maschinen, die sich auf die Abfahrt vorbereiten. Verstehen Sie, ich will Nebel malen und auf der Leinwand einfangen, was noch kein Maler eingefangen hat.«
Der Bahnhofsvorsteher und der Schaffner nickten gemeinsam, rührten sich jedoch nicht und machten diesbezüglich auch keinerlei Anstalten, als hätte das Gebaren des Künstlers sie schier überwältigt.
» Lucien, stell meine Staffeleien auf«, sagte Monet und deutete mit dem Finger. » Da! Da! Da!«
Die barschen Anweisungen des Malers rissen den Bahnhofsvorsteher aus seiner Benommenheit. Wenn da Dampf sein sollte, würde man die Lokomotiven beheizen müssen. » Bringt mir Lok Nummer zwölf unters Dach. Gebt den Maschinisten draußen vor der Halle Bescheid, sie sollen Dampf machen.«
» Für mich wäre es von einiger Bedeutung, dass sie gleichzeitig dampfen«, sagte Monet.
» Sagt ihnen,
Weitere Kostenlose Bücher