Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
schnaufe wie eine Dampflok, aber Tako ist immerhin auch außer Puste. Er sieht längst nicht so zornig aus wie sonst, sagt aber nicht ein Wort. Aus seiner Hosentasche zieht er eine Flasche hervor, die mit einer grauen Flüssigkeit gefüllt ist, und hält sie mir hin.
Ich frage nicht lange, sondern nehme einige tiefe Schlucke. Es schmeckt sandig und salzig, vertreibt aber meine Übelkeit.
„Was ist das?“
Ich reiche ihm die Flasche zurück, aber er winkt ab. „Trink aus! Langsam. Du wirst Kraft für den Rückweg brauchen.“
Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen.
Nur kurz keimt in mir der Verdacht auf, dass er mich vergiften könnte. Aber als ich über den Rand des Plateaus blicke, sage ich mir, dass ein einfacher Stoß in die Tiefe für ihn viel leichter wäre. Dennoch kann ich es mir im Moment nicht vorstellen. Seine Stimme ist anders als sonst, ich finde nicht einen Funken Wut darin. Sie klingt so normal, wie normale Menschen eben klingen. Spielt Tako der Gruppe sonst nur etwas vor? Ich beobachte ihn, aber als er mir dann doch einen finsteren Blick zuwirft, sehe ich weg.
„Schaffst du es dort hinauf?“, fragt er nachdenklich.
Als ich mich nun aufrichte, merke ich, wie meine Kräfte langsam in den Körper zurückwandern. Ich sehe die steile Felswand hinauf, die Tako schon eine Weile betrachtet. Sie ist recht schroff, für geübte Kletterer mit einer guten Ausrüstung aber bestimmt kein Problem.
Nein, das schaffe ich nicht , schreit mein Körper als Antwort – aber „Natürlich“, sage ich dann tatsächlich.
Als mich Tako daraufhin ansieht, scheint er überrascht zu sein. Ich atme tief durch, bevor ich den ersten Kletterversuch starte.
Langsam ziehe ich mich hoch, suche mit den Fingern Lücken im Gestein und achte immer darauf, mit den Füßen festen Halt zu bekommen. Es ist mühsam, dennoch komme ich gut voran. Diesmal sind es andere Muskeln in meinem Körper, die ich nun quäle und bis zum Äußersten reize. Immerhin jagt Tako mich nicht mehr, er lässt mir so viel Zeit, wie ich brauche, und folgt mir in einigem Abstand. Sollte ich aus irgendeinem Grund hinabfallen, würde ich ihn zwangsweise mit in die Tiefe reißen.
Ich lehne bereits an der felsigen Wand eines Vorsprungs, als sich Tako die letzten Meter hinaufzieht. Er ist mindestens genauso angespannt wie ich, sein Kopf ist rot und scheinbar hat er doch keine unbegrenzten Kräfte. Er hockt sich schweigend neben mich und starrt über das Land.
Der Schrei eines Vogels zieht durch die Luft, dann sehe ich schon die riesigen silbrigen Flügel eines Adlers, der nur ein paar Meter an uns vorbeifliegt. Ich verliere ihn aus den Augen, finde ihn aber wieder, Kreise ziehend und elegant über das Tal gleitend. Der Wind spielt mit meinen Haaren, ich stelle mir vor, wie es sein müsste, mit ihm zu fliegen, zu seinem Horst, wo ich geschützt und sicher vor Feinden wäre. Es zieht mich hinaus, ich spüre die Freiheit, höre seinen Ruf, immer wieder.
„He! He!“
Tako hat mich am Kragen gepackt und zurückgerissen. Überraschenderweise stehe ich am Rand des Abgrundes und weiß gar nicht, was ich da will. Mein Trainer sieht mich entsetzt an, als erwarte er eine Antwort.
„Er … hat mich zu sich gerufen …“, flüstere ich.
Fassungslos sehe ich hinauf zu dem silbrigen Vogel, der wieder lautes Krächzen aussendet. Ich spüre deutlich seinen Ruf in mir, dass ich mit ihm fliegen soll, die Freiheit genießen. Ach, wie schön wäre es doch …
„Dann sind die Geschichten über den Silberschreier doch wahr! Ich meine, dass er sensible Menschen mit seinem Ruf in den Bann ziehen und sie dazu bringen kann, sich in den Abgrund zu stürzen!“ Takos Gesicht ist ernst, schon fast besorgt. „Wir müssen hier weg!“
Vorsichtig blicke ich den Abhang hinunter. Den gleichen Weg wieder hinabzusteigen, dürfte weitaus schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich sein. Wie soll ich denn erkennen, wohin ich meine Füße setzen soll?
„Ich glaube kaum, dass ich es hinunter schaffe.“
Tako nickt, als wüsste er es bereits. Sein Gesicht ist finster, seine Stimmung deutlich kühler geworden. Konnte ich denn wissen, dass ich empfänglich für den Silberschreier bin?
„Du folgst mir einfach!“, reißt mich Tako aus den Gedanken.
Er klettert seitlich unseres Vorsprungs am Felsen entlang.
Als ich schließlich versuche, den Weg zu finden, den ich klettern muss, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken. Der Silberschreier krächzt über uns.
„Du folgst mir
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