Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
Vom Netzwerk:
draußen stehen und öffnete die Tür nur einen Spalt weit.
    »Hmm?«
    »Alles in Ordnung? Geht’s dir gut?«
    »Ja, natürlich.«
    »Aber das nächste Mal passt du bitte ein bisschen auf mit der Klopapierrolle, ja? Und das Fenster kippen, Liebes.«
    »Klar doch.« Ich funkelte Leander wütend an und wartete, bis Mamas Schritte verklungen waren.
    »Was hast du denn da drin getrieben?«, fauchte ich.
    »Sie ist mir entglitten – diese Rolle«, erwiderte er geziert. »Und ich, äh, wollte schnell wieder zu dir.« Faul war er also auch noch. Er hatte sich nicht einmal bemüht, die Rolle wieder aufzuwickeln. Und er sagte nicht die Wahrheit. Denn in einem war ich mir hundertprozentig sicher: Dass er schnell wieder bei mir sein wollte, war glatt gelogen. Leander war nicht freiwillig bei mir und er mochte mich nicht. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit.
    »Morgen wirst du mir einiges erklären müssen«, sagte ich streng, konnte aber ein weiteres Gähnen nicht verhindern. »Und jetzt – oh Gott, ich bin todmüde …«
    Mit einem Satz hatte sich Leander auf mich geschmissen, drückte mich in die Matratze und wickelte eilig die Decke um meine Beine und Schultern.
    »Verdammt, was tust du da?« Ich trat nach ihm, um ihn loszuwerden. Doch er ließ sich nicht beirren und fuchtelte weiter mit dem Bettzeug herum, bis er eine exakte Kopie meiner Einsiedlerkrebstechnik geschaffen hatte, inklusive Deckenzipfel über meinem Ohr. Dann löschte er das Licht, zog die Vorhänge zu und drückte behutsam meine Augenlider hinunter.
    »Du bist nicht ganz dicht, oder?« Ich sprach schleppend, weil meine Gedanken schon wegdrifteten.
    »Von wegen. Todmüde sein ist schlecht. Ganz schlecht. Wenn ihr Menschen todmüde seid, passieren die schlimmsten Unfälle. Meine Reflexe funktionieren eben noch«, entgegnete er trotzig. »Auch wenn ich sie jetzt anders umsetzen muss mit diesem völlig überflüssigen, nichtsnutzigen – Körper.«
    Bevor der Schlaf mich packen konnte, hatte ich schlagartig eine vage Idee, was Leander sein könnte und worin seine Aufgabe bestand. Doch meine Zunge war zu schwer, um ihn zu fragen. Morgen, dachte ich. Morgen …

Sky Patrol
    Das Gluckern der anspringenden Heizung weckte mich, bevor es draußen hell wurde. Leander lag neben mir auf dem Boden und hatte sich in meinen Flickenteppich gehüllt. Offensichtlich war ihm trotz Dauerfieber irgendwann kalt geworden. Jetzt umgab ihn wieder das leicht bläuliche Flackern und ließ seine glatte Haut im Halbdämmer meines Zimmers matt leuchten.
    Nein, so früh am Morgen hatte ich definitiv keine Lust, mit ihm zu reden. Er sollte ruhig noch schlafen. Wenn er schlief, fühlte es sich fast so an, als wäre ich allein in meinem Zimmer. Ich drehte mich samt meinem Deckenkokon auf die andere Seite und hörte zu, wie das Haus langsam erwachte. Ich entschied spontan, dass dies mein letzter Krankentag war. Ich wollte wieder in die Schule gehen und Seppo treffen. Leander konnte derweil von mir aus auf meinem Schreibtisch sitzen und vor sich hin jammern, aber ich würde vor Langeweile eingehen, wenn ich nicht bald hier rauskam.
    Nun begannen die Türen der Küchenschränke zu klappern und ab und zu klirrte Geschirr. Ich stand leise auf, schlich mich aus meinem Zimmer und duschte so lange, bis ich etwas klarer im Kopf wurde. Dann zog ich mir meine Trainingsklamotten an und ging in die Küche.
    »Papa!«, rief ich freudig. Es war ein Kunststück, Papa zu normalen Zeiten im Haus anzutreffen. Meistens hockte er schon frühmorgens unten in seinem Keller oder in den Geschäftsräumen und arbeitete.
    »Guten Morgen, mein Sonnenschein«, begrüßte er mich lächelnd. Er sah müde aus und sein grauer Haarkranz wirkte zerzaust. »Wie geht es dir?«
    »Besser«, antwortete ich im Brustton der Überzeugung. »Ich möchte morgen wieder in die Schule.«
    Papa beäugte mich skeptisch und strich sich über seine grau-schwarz gemusterte Krawatte.
    »Hmhmhm«, brummte er. »Das entscheidet am besten deine Mutter.«
    Natürlich. Wie immer. Alles Wichtige musste Mama entscheiden. Dabei war Papa viel leichter zu überreden – und trotzdem, das letzte Wort hatte Mama. Es sei denn, es ging um das Make-up der toten Omis. Was das betraf, hatte Papa die Hosen an. Und manchmal bekam ich Angst, dass dieser Punkt irgendwann die Ehe meiner Eltern ruinieren würde.
    »Wo ist Mama denn?«, fragte ich, setzte mich und schmierte mir dick Erdnussbutter aufs Brötchen. Papa kniff die Augen zusammen und fixierte sein

Weitere Kostenlose Bücher