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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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er. Okay, wie es aussah, war ich mit meiner Vermutung auf der richtigen Fährte.
    »War doch kein Kunststück«, antwortete ich großspurig und versuchte erneut, meine Arme wegzuziehen. Vergeblich. Leander hatte Ausdauer und er war stark. Ich hasste es, dass Jungs mehr Kraft hatten als Mädchen (ausgenommen meine Mutter). Das war ungerecht.
    »Ja, ich hab tatsächlich eine Idee, was du bist und was du hier tust«, sagte ich und hielt seinem Blick stand.
    »Und welche?«, stieß er hervor.
    »Ich sag es dir, wenn du mich loslässt. Und dann sagst du mir, ob ich recht habe. Ansonsten springe ich wirklich.«
    Um ihm zu zeigen, dass ich es ernst meinte, rammte ich ihm noch einmal meine Beine in die Rippen. Leander lockerte widerstrebend seinen Griff und ich wälzte mich zur Seite. Er presste sich kurz die Hände auf seinen Bauch, atmete mit einem lang gezogenen Prusten aus und lehnte sich umständlich gegen die Heizung.
    »Also, sprich«, forderte er mich mit Grabesstimme auf.
    Ich wischte in aller Ruhe den Kaffee auf, warf die Scherben weg und entsorgte die nassen Taschentücher, bevor ich mich Leander gegenüber aufs Bett setzte. Es war herrlich, ihn zappeln zu lassen. Doch jetzt konnte ich nicht mehr länger warten. Ich musste wissen, ob ich mit meiner Vermutung ins Schwarze traf.
    »Hmmmm … ich glaube – du bist so eine Art – Schutzengel.«
    »Schutzengel! Pah! Schutzengel!!« Leander spuckte abfällig auf den Boden. »Willst du mich beleidigen? Sehe ich aus wie ein Engel? Habe ich Flügel?« Er sprang auf, drehte sich um und breitete wedelnd seine Arme aus. »Na?«
    »Nein, aber …«
    »Und einen Heiligenschein? Siehst du einen Heiligenschein? Hab ich langes lockiges Haar und ein Kleid an? Steh ich immer nur dumm in der Gegend herum und lächle einfältig? Hm?«
    »Na ja – zwischendurch hattest du schon mal lockiges langes Haar und das mit dem Dummherumstehen …«
    »Luzie«, unterbrach er mich grollend. »Beleidige mich nicht. Bitte, bitte beleidige mich nicht. Ich bin kein Engel.«
    So ganz unrecht hatte er womöglich nicht. Engel benahmen sich sicherlich wesentlich anständiger als Leander. Und sie waren bestimmt netter. Freundlicher. Unauffälliger.
    »Aber mit Schutz hat es doch etwas zu tun, oder?«
    Sein Mund zuckte. Er ging zu meinem Schreibtisch, lupfte sich locker hoch und begab sich in seine übliche Position, die Beine leicht angewinkelt, die Füße über Kreuz und die Unterarme lässig auf die Knie gestützt, als würde er für ein Filmposter posieren.
    »Sky Patrol«, sagte er ehrfurchtsvoll, als er sich zurechtgerückt hatte, und sah mich dabei so gebieterisch an, dass mir ebenfalls ein versehentlicher Ehrfurchtsschauer über den Rücken rieselte.
    »Sky – was?«
    »Sky Patrol. Wir agieren selbstverständlich international und haben daher auch einen internationalen Namen. Vorausgesetzt, wir lassen uns dazu herab, die Menschensprache zu benutzen, was unter uns als Frevel gilt. Wir sprechen sie höchstens zum Üben und Kategorisieren im Ausbildungslager, schließlich müssen wir wissen, was ihr da so den ganzen Tag vor euch hin redet, obwohl es durchaus Kollegen gibt, die ihre Mission anders handhaben und gar nicht auf euer Gesabbel achten, jeder hat seine eigene Technik, weißt du, doch ich persönlich finde, dass es sinnvoll ist …«
    »Leander!«, rief ich gequält. »Mach mal ’nen Punkt – du quasselst wie ein Wasserfall und ich verstehe kein Wort. Eins nach dem anderen. Sky Patrol. Was ist das?«
    »Wir bewachen eure Körper.« Er strafte mich mit einem abfälligen Blick, als wäre mein Körper einer der allerscheußlichsten, die ihm jemals untergekommen waren. Ich schob beleidigt meine Unterlippe vor. Aber zu streiten machte jetzt keinen Sinn. Ich wusste noch viel zu wenig über ihn.
    »Und was hat das dann mit dem Himmel zu tun? Sky heißt doch Himmel. Du bist anfangs geflogen. Du hast es jedenfalls versucht. Also doch Engel.«
    »Nein!«, entgegnete Leander scharf. Seine Augenbrauen vereinten sich zu einer schmalen Linie. »Wir sind körperlos. Normalerweise. Von mir aus nenn es Fliegen. Wenn man keinen Körper hat, kann man hin, wohin man will, dann braucht man dafür keine Bezeichnungen. Die braucht nur ihr Menschen. Und weil manche besonders scharfsinnigen Menschen bemerkt haben, dass Situationen glücklich ausgehen, die in einem Drama hätten enden müssen, haben sie sich den Mist mit den Schutzengeln ausgedacht. Wir fliegen, das ist alles, was wir mit euren Engeln gemeinsam

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