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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ist das auf jeden Fall.«
    »Hm«, murmelte er nachdenklich. »Dann ist mir da wohl ein Fehler unterlaufen. Ich hatte nicht mehr viel Zeit übrig, verstehst du.«
    Ich verstand nach wie vor gar nichts. Ich hatte jedoch keinen Zweifel daran, dass Leanders Haut einen Tick zu warm geraten war. Aber Dauerfieber änderte wahrscheinlich auch nichts mehr an seinem fragwürdigen Gesamtzustand. Und ich wollte endlich wissen, was für ein Geheimnis er verbarg und wo er herkam. Denn ich glaubte eigentlich nicht an Geister. Wenn es ihn gab – gab es dann auch noch mehrere von seiner Sorte? Und wo lebten sie? Wozu waren sie da? Was war mit dieser Truppe, von der er anfangs gesprochen hatte, und warum hatte er nach seinem Vater gebrüllt? Doch bevor ich ansetzen konnte, ihn zu fragen, klopfte es zweimal an meine Tür und im gleichen Moment schob sich Mamas dicker Kopf ins Zimmer. Leander starrte sie neugierig an.
    »Mama …«, stöhnte ich genervt. »Ich hab dir x-mal erklärt, dass Anklopfen so nicht funktioniert. Du musst erst klopfen und dann warten, ob ich überhaupt will, dass du ins Zimmer kommst. Nicht klopfen und im gleichen Moment reinplatzen.«
    »Ich platze nicht herein. Ich gucke nur. Und außerdem …« Sie zwängte sich durch den Türspalt und setzte sich mit bedeutungsvollem Gesicht an mein Bett. »Komm«, sagte sie und klopfte auf mein Kopfkissen. Oje. Abendliche Bettkantengespräche mit Mama waren Gespräche, auf die ich gut und gerne verzichten konnte. Ich gehorchte dennoch seufzend.
    »Luzie. Schatz«, sagte sie so sanft, wie es ihr mit ihrer Turnhallenstimme möglich war. »Mit wem redest du da? Ist Herr Niemand wieder zurückgekommen?«
    Leander grinste gehässig. Ich musste mich beherrschen, ihm nicht die Zunge rauszustrecken. Herr Niemand – das war mein erfundener Freund gewesen. Ich war damals vier Jahre alt und überzeugt, dass Herr Niemand existierte, auch wenn man ihn nicht sah. Herrn Niemand gab es zwei oder drei Jahre lang, dann stellte ich fest, dass es extrem albern war, einen unsichtbaren Freund zu haben, der bei mir im Setzkasten wohnte und nie auf meine Fragen antwortete. Sowohl der Setzkasten als auch Herr Niemand verschwanden, nachdem ich eingeschult worden war. Aber als Herr Niemand noch existierte, unterhielt ich mich abends allzu gerne mit ihm. Und anscheinend – warum auch immer – wusste Leander ganz genau, wer Herr Niemand war.
    »Also Mama, bitte«, protestierte ich. »Ich bin dreizehn! Nein, ich hab für ein Theaterstück geprobt. Wir müssen improvisieren«, log ich. »Spontane Dialoge und so.«
    »Aha«, sagte Mama zweifelnd. »Improvisation. Theaterstück? Aber du bist doch in der Breakdance-AG und in der Kulissenbaugruppe?«
    Oh, da hatte sie recht.
    »Keine AG. Deutschunterricht. Der Herr Rübsam will, dass wir üben, frei zu sprechen und spontan auf Fragen zu antworten.« Wie ich in diesem Moment.
    »Ach, der arme Herr Rübsam. Der gute Mann war völlig zerstört nach deinem Sturz. Immer wieder hat er sich am Telefon entschuldigt. Luzie, ich hab dich nicht gefragt, weil du erst einmal in aller Ruhe gesund werden solltest, aber jetzt, wo es dir besser geht …« Mamas Stimme bebte verräterisch. Oh, bitte nicht wieder ein Weinkrampf, bettelte ich in Gedanken.
    »WAS UM HIMMELS WILLEN HAST DU DIR DABEI GEDACHT?«, plärrte sie los. Ich zuckte zusammen. »Du springst vom Klassensaal aufs Turnhallendach und dann auf eine Lampe – eine Lampe!?«
    Als wäre Mamas Ausbruch ein Signal, stieß Leander sich mit spitzbübischem Grinsen von meinem Schreibtisch ab, wankte zwei ungeschickte Schritte nach vorne und zwickte Mama kräftig in ihren quadratischen Hintern.
    »Uiii!«, quietschte Mama und schlug mir auf die rechte Hand, die neben ihrem Po auf dem Laken ruhte. »Junges Fräulein, was soll denn das!«
    »Okay, sie kann mich also spüren«, kommentierte Leander sachlich und zog sich wieder auf meinen Schreibtisch zurück. Ich presste kurz meine Hand auf den Mund, um all die Verwünschungen herunterzuschlucken, die mir auf der Zunge brannten.
    »Sorry, Mama, tut mir leid – ich dachte, das lenkt dich ab«, flüsterte ich zerknirscht. »Ich will nicht, dass du wegen mir heulst.«
    Mama rieb sich mit verzerrtem Gesicht den Hintern.
    »Nein, so etwas lenkt mich nicht ab. Nicht im Geringsten! Schatz, du hättest dich umbringen können!«
    Leanders Augen glühten bläulich auf und er erschauerte am ganzen Körper. Dann sahen mich beide so vorwurfsvoll an, Leander und meine Mutter, dass

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