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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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S-Bahn-Haltestelle und sah mich zwischendurch immer wieder um. Wo blieb Seppo nur? Normalerweise begegneten wir uns hier fast jeden Morgen. Na, vielleicht begann sein Unterricht eine Stunde später – oder er stand schon an der Haltestelle und wartete auf mich. Ich beschleunigte meine Schritte.
    »Das ist eine komische Sache mit eurem Schlaf.«
    Nein. Bitte nicht! Wenn das so weiterging, würde ich einen Verfolgungswahn bekommen. Ich blieb stehen und drehte mich langsam um. Bingo. Erwartungsfroh sah Leander mich an. Obwohl die Sonne sich hartnäckig hinter den Wolken verbarg, leuchtete sein schneeblaues Huskyauge gleißend hell.
    »Was – machst – du – hier?«, zischte ich so leise wie möglich.
    »Dich begleiten, was sonst?«, antwortete er beiläufig. »Mach ich doch jeden Morgen. Also, das mit dem Schlaf. Ich wollte nicht schlafen, um dich bewachen zu können, aber irgendwann – wups, eingepennt. Ohne dass ich es merkte! Ich hab es eigentlich erst gemerkt, als ich wieder aufgewacht bin. Dein Vater sollte die Heizung nachts anstellen. Tja, und trotzdem brauche ich weniger Schlaf als du. Ich hab die halbe Nacht wach neben deinem Bett gesessen, so wie ein guter Körperwächter das tun sollte. Du schläfst ja wirklich die ganze Nacht, aber ich, trotz menschlicher Gestalt …«
    »Interessiert mich nicht«, herrschte ich ihn an. Die Frau vor uns stockte. Verdutzt wandte sie sich zu mir um. Ich lächelte sie freundlich an. »Hab nur vor mich hin geredet«, sagte ich locker. Sie schüttelte mitleidig den Kopf, als habe ich den Verstand verloren oder würde Drogen nehmen, und eilte weiter. Ich trat Leander gegen das Schienbein und folgte ihr. Außer uns waren glücklicherweise noch nicht viele Leute unterwegs, nur ein paar gehetzt wirkende Männer in Businessklamotten, eine alte Oma mit Gehhilfe und die Frau von eben. Sie hastete ebenfalls auf die S-Bahn-Station zu. Ich wartete, bis sie sich einige Schritte von uns entfernt hatte.
    »Außerdem«, flüsterte ich, »ist es nicht ein bisschen dumm, hier auf offener Straße mit mir zu sprechen? Sehen dich dann nicht deine ehrenwerten Kollegen und verdammen dich vollends?«
    Ich hatte Leander mit dieser Bemerkung ärgern wollen, verfluchte mich jedoch im gleichen Moment dafür. Vielleicht bestand ja die Lösung darin, ihn direkt ins Verderben rennen zu lassen. Und das größte Verderben für einen Sky Patrol war garantiert, sich nie wieder in der Nähe eines Menschen aufhalten zu dürfen.
    Leander setzte zu einer Antwort an, übersah aber gleichzeitig einen überstehenden Gullideckel, rutschte aus und torkelte schwer gegen mich. Ich geriet ins Straucheln. Einer der Anzugmänner, der uns in diesem Moment überholte, griff nach meinem Arm und fing mich in letzter Sekunde ab, bevor ich auf den nassen Asphalt stürzen konnte. Prüfend schaute er mich an.
    »Alles in Ordnung mit dir, Kleine? Du siehst blass aus. Ist dir schwindelig?«
    »Nein, alles okay«, sagte ich schnell. »Danke. Es geht schon.«
    Leander tat so, als sei nichts geschehen, und lief gut gelaunt neben mir weiter, seine Schulter nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Musste er mir unbedingt dermaßen auf die Pelle rücken?
    »Zurück zum Thema«, plauderte er. »Hier«, er drehte sich geschmeidig um sich selbst, »kann mich niemand sehen.«
    »Warum nicht?«, keuchte ich. Der Beinahesturz hatte meiner Schulter nicht gutgetan.
    »Erklär ich dir später. Ups …«
    Eine junge Mutter mit Kinderwagen schoss aus einer Gasse heraus und kreuzte vor uns die Straße. Leander erstarrte, senkte die Augen und ging stumm und angenehm unauffällig neben mir her. Gott sei Dank, er hatte aufgehört zu reden. Das war ja schlimmer, als wenn Sofie von ihren tausend Lieblingsbüchern und Lieblingsfernsehsendungen erzählte.
    Kurz vor der S-Bahn-Haltestelle stoppte Leander und sah sich angespannt um.
    »Halt dich fern von Seppo«, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen und unbewegter Miene, bevor er wieder in sein versunkenes Schweigen verfiel. Ich lachte nur. Leander hatte mir nichts zu befehlen. Erst recht nicht, wenn der Name Seppo in diesen Befehlen vorkam.
    Mit klopfendem Herzen stieg ich in die S-Bahn. Ich durchkämmte sämtliche Abteile, konnte Seppo jedoch nirgendwo entdecken. Serdan und Billy waren da; sie stiegen immer eine Station vorher zu. Sie saßen ganz hinten und malmten im gleichen Rhythmus auf ihren Kaugummis herum.
    »Hi«, begrüßte ich sie und versuchte, meine Enttäuschung über Seppos

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