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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Hatte er etwa auch etwas gegen Sofie? Wollte er mir meine Freunde wegnehmen?
    Als Billy, Serdan und ich nachmittags schweigend in der S-Bahn saßen (Serdan wieder mit den Kopfhörern in den Ohren und Kaugummi kauend), überwand ich mich, Billy möglichst gleichgültig zu fragen, was mit Seppo los war.
    »Schnupfen«, antwortete Billy und zog die Nase kraus. »Seine Ma wollte ihn nicht zur Schule lassen. Wir haben vorgestern im Regen trainiert, das war total krass, aber Seppo hat’s übertrieben. Er hatte nur ein T-Shirt an.«
    Neiderfüllt starrte ich aus dem Fenster. Im Regen trainiert. Wie gerne wäre ich dabei gewesen … Es passte nicht zu Seppo, dass er es übertrieb und nur im Shirt trainierte. Aber es passte zu Seppos Mutter, dass sie ihren herzallerliebsten Sohn wegen eines blöden Schnupfens zu Haus behielt. Sie war die überbesorgteste und zugleich strengste Mutter, die ich je kennengelernt hatte. Im Vergleich zu ihr war meine Mama harmlos wie eine Stubenfliege. Allerdings kochte Seppos Mutter wie eine Göttin, was man von meiner wahrlich nicht behaupten konnte – daran änderten auch ihre tausend Kochbücher nichts und erst recht nicht die Kochsendungen im Fernsehen, die sie sich Tag für Tag reinzog. Wenn sie etwas aus dem Fernsehen nachkochte, schmeckte es immer besonders schlimm. Ich war froh, dass ich in die Ganztagsschule ging und mich mittags aus der Kantine bedienen konnte. Das war allemal besser, als Mamas Experimente zu kosten. Nur ihre Fleischklößchen waren akzeptabel.
    Ich warf einen Kontrollblick an die Wagendecke. Leander hatte wieder seine Gepäckablageposition eingenommen und die Lider gesenkt. Warum nur war er bei mir zu Hause nicht so unnahbar und ruhig? Auf der anderen Seite langweilte ich mich schon den ganzen Tag. Mit Sofie durfte ich nicht reden, Seppo war krank, Serdan und Billy schwiegen und Leander tat so, als wäre ich nicht da.
    Ich nahm mir vor, ihn mit Fragen zu löchern, sobald wir ausgestiegen und Serdan und Billy außer Sichtweite waren. Noch eine Station, dann konnte ich endlich loslegen.
    »Also – wo waren die anderen …?«
    Bevor ich meinen Satz zu Ende sprechen konnte, hatte Leander mir einen so heftigen Schlag auf den Rücken verpasst, dass ich keine Luft mehr bekam. Brutal schob er mich vorwärts. Wenn ich reden oder ihn zusammenstauchen wollte, setzte es einen weiteren Schlag zwischen meine Schulterblätter, bis ich hustend und schnaufend die Haustür aufschloss.
    Erst als wir in meinem Zimmer waren, rückte er ein Stück von mir ab und hörte auf, meinen Rücken zu verdreschen. Leider konnte ich ihn nicht anbrüllen, denn Mama werkelte nebenan in der Küche. Sogar Papa hatte ich gesehen; er stand bei offener Tür im Bad und rasierte sich. Außerdem war ich immer noch nicht in der Lage, tief Luft zu holen, sondern röchelte mit krebsrotem Gesicht vor mich hin. Japsend hieb ich Leander mein rechtes Knie zwischen die Beine.
    »Aaaaaaaaah«, keuchte er pfeifend und sackte zu Boden. Gekrümmt wie ein Wurm wälzte er sich über die Dielen, bis er mit seinem Kopf an das Schreibtischbein stieß. »Auuuuaaaa. So … so schlimm waren meine Schläge nicht, dass du mir so etwas antun musst, Luzie … aaaah …«
    Zufrieden sah ich dabei zu, wie er sich wand und die Hände auf seine Hose presste. Doch er erholte sich rasch. Viel zu rasch, fand ich. Billy hatte wesentlich länger herumgezappelt, als ich ihm vergangenen Sommer einen solchen Tritt verpasst hatte. Er hatte sich über meinen ersten Abrollversuch aus einem Meter Höhe lustig gemacht.
    »Ich musste das tun«, sagte Leander nach einer kurzen Erholungspause und setzte sich auf meinen Schreibtisch. »Du bist so schnell abgehauen heute Morgen, dass ich dich nicht mehr instruieren konnte.«
    »Instruieren? Du hast gepennt und ich musste zur Schule. Das war alles.«
    Er machte es sich mal wieder leicht. Ich war schuld. Klar. In Wirklichkeit hatte er verpennt, mich rechtzeitig zu »instruieren«, was immer das auch heißen mochte. Hochmütig blickte er an mir vorbei und rückte sich sein Piratentuch zurecht.
    »Warum hast du mich den gesamten Morgen ignoriert?«, fragte ich. »Und wieso kannst du jetzt plötzlich wieder mit mir reden? Und was sollte diese Prügelei eben?«
    »Du solltest deinen Mund halten, ganz einfach!«, bellte Leander. »Körperfluch, vergessen? Die anderen dürfen das nicht bemerken und schon gar nicht dürfen sie spitzkriegen, dass du mich sehen und hören kannst!«
    »Ach«, erwiderte ich

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