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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sich um eine Nonne. Eine Nonne! Und eine Nonne sollte keinen pinkfarbenen Lippenstift tragen – das schickt sich nicht!«
    »Es war kein Lippenstift! Es war Lipgloss!! Und es war nicht Pink, sondern Flamingo, und ich finde, es stand ihr gut, es gab ihrem Teint ein wenig Frische! Die hat sie in ihrem Zustand wahrlich nötig, dieses blasse, dürre Ding!«
    »Rosa! So redet man nicht über eine verstorbene Ordensschwester!«
    »Pah, Ordensschwester … Sind Farben für Jesus’ Ehefrauen etwa verboten?«
    Die Wohnungstür klackte und die Stimmen wurden leiser. Mama und Papa waren auf dem Weg nach unten. Und obwohl Mama zehnmal lauter zeterte als Papa, würde sie am Ende den Kürzeren ziehen. Ich wusste es genau. Der Keller war Papas Reich und beim Make-up der Toten setzte er sich durch. Da konnte Mama sich auf den Kopf stellen.
    »Puuuh«, machte Leander leise. Sein Gesicht hatte sich verdunkelt und selbst das schneeblaue Auge leuchtete nicht mehr. Er legte sich die Hand auf den Bauch, als sei ihm übel.
    »Die vertragen sich schon wieder«, beruhigte ich ihn.
    »Nein, das meine ich nicht. Luzie – ich hab dir nicht die ganze Wahrheit gesagt. Ich hab nicht nur deinetwegen hingeschmissen. Gut, zu 99 Prozent deinetwegen, du warst unerträglich, schlichtweg nicht kontrollierbar, aber … da war noch was anderes.«
    »Was denn?«, fragte ich verdutzt. Leander gab freiwillig eine Lüge zu? Das konnte ich kaum glauben.
    »Es ist wegen …« Er brach ab und deutete auf den Boden. »Das da unten. Ich ertrage das nicht.«
    »Was meinst du?«
    »Euer Keller.« Seine Stimme klang hohl. »Er ist ständig bei euch da unten. Ich spüre ihn. Er holt sie ab.«
    Ich erstarrte. »Er.« Ich ahnte, wen Leander meinte. Den Meister der Zeit. Aber ich wollte auch dieses Mal nicht nachfragen, wovon er sprach. Es war zu gruselig und eigentlich wusste ich es sowieso. Doch wenn Leander darüber redete, bekam ich Angst. Es hörte sich an, als wüsste er viel mehr als ich und als sei alles ganz anders, als wir Menschen glaubten. Ich hatte noch nie Angst vor den toten Omis, all den Särgen und dem Keller gehabt. Ich hatte oft bei Papa gesessen, ihm zugeschaut und manchmal sogar geholfen. Ich wollte nicht, dass sich das änderte. Nein, ich wollte nicht in einem Haus wohnen, vor dessen Keller ich Angst haben musste.
    »Wolltest du dich nicht waschen?«, wechselte ich das Thema, als ich wieder normal atmen und mir sicher sein konnte, dass meine Stimme nicht zitterte. »Jetzt wäre eine gute Gelegenheit dafür. Die sind da unten für ein paar Stunden beschäftigt.«
    Streiten, versöhnen, drei Tote versorgen, den Papierkram erledigen – das kostete eine Menge Zeit. Ich hoffte nur, dass Mama wegen der Streiterei keinen Weinkrampf bekam und sich wegen Kopfschmerzen ins Bett legen musste. Denn dann folgte Papa ihr unweigerlich und kümmerte sich um sie, egal, wie viele Kunden auf ihre Kosmetik warteten.
    »Okay«, sagte Leander kleinlaut und sah mich unsicher an. »Ähm – zeigst du mir, wie … also … äh …«
    Ich hatte es geahnt. Jetzt musste ich ihm auch noch beim Duschen helfen. Das war einfach unglaublich. Doch er weigerte sich, ohne mich ins Bad zu gehen, und ich wollte nicht neben einem müffelnden Körperwächter schlafen.
    Fünf Minuten später saß ich auf dem umgeklappten Toilettendeckel und überlegte, ob ich bei meinem Einführungskurs ins Duschen und den damit verbundenen Vorbereitungen irgendetwas vergessen hatte. Nein, ich hatte Leander alles Nötige erklärt, ein Handtuch und Duschgel gerichtet und vorsichtshalber den Föhn versteckt, damit er nicht auf die Idee kam, sich im Wasser die Haare zu trocknen, obwohl ein Schutzengel wissen sollte, dass das tabu war. Aber Leander traute ich alles zu.
    Ja, mehr brauchte er nicht. Ich konnte wieder verschwinden. Leander war bereits dabei, seine Schuhe auszuziehen.
    »Wo willst du hin?«, fragte er alarmiert, als ich mich zur Tür bewegte.
    »Na, in mein Zimmer.«
    »Und wenn die Dusche rauscht und deine Eltern hochkommen und du in deinem Zimmer bist …? Hm? Nicht gut, oder?«
    Au Backe. Er hatte recht. Es war äußerst verdächtig, wenn das Wasser lief, aber niemand im Bad war, und Papas Duschgel durch die Luft schwebte, um sich dann auf einem durchsichtigen Körper zu verteilen. Und es war nicht auszuschließen, dass die beiden da unten weiterstritten und Mama heulend die Flucht ergriff. Ich musste wohl oder übel hierbleiben.
    Flink schlüpfte Leander aus seiner Hose und schleuderte die

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