Verflucht himmlisch
– dann ist das doch alles gar kein so großes Problem!«, rief ich hoffnungsvoll. »Ich bin dreizehn! Ich komme sicher bald in die Pubertät oder bin schon drin – und wenn nicht, sagst du den anderen eben, ich wäre frühentwickelt und …«
»Luzie, so einfach ist das nicht«, schnitt mir Leander mit schulmeisterlicher Miene das Wort ab. »Du bist lange nicht in der Pubertät. Du benimmst dich wie ein Kind! Und du kannst kein bisschen auf dich aufpassen. Du gehörst im Register der Zentrale garantiert zu den Sonderfällen, die bis achtzehn oder neunzehn Schutz benötigen. Mindestens.«
Ich hatte das Wort Pubertät immer grässlich gefunden und das, was ich darüber im Biologieunterricht gelernt und gelesen hatte, machte mir nicht Lust, möglichst schnell hineinzurutschen. Die Pubertät machte doch nur Ärger. Und dazu gab’s Pickel im Gratispack. Aber was Leander hier von sich gab, kränkte mich zutiefst. Woher zum Teufel wollte ausgerechnet er wissen, wann ich in die Pubertät kam? Gut, ich war klein und ehrlich gesagt noch ziemlich flach, doch das war bestimmt ein Erbstück von Mama, wir waren eben Sportlerinnen. Mama war zwar ein Trümmer von einer Frau, aber einen großen Busen hatte sie nicht.
Verknallt war ich jedenfalls, in Seppo. Glaubte ich zumindest. Und so etwas gehörte sicher zum Erwachsenwerden. Ob Seppo auch dachte, dass ich mich kindisch benahm?
Nein, ich war kein Kind mehr. Sofie war ebenfalls erst dreizehn und eindeutig pubertierend. Sie tuschte sich die Wimpern, war dauernd in jemand anderen verliebt, heulte manchmal ohne Grund los und hatte eine Menge Mitesser auf der Nase. Vielleicht sollte ich sie morgen mal fragen, woran genau man merkte, dass man in die Pubertät kam. Sofie redete liebend gern über solche Themen. Mama leider auch.
»Darf ich dann morgen wenigstens mit meiner einzigen Freundin Sofie sprechen?«, fragte ich Leander grantig und stand auf. »Heute hast du mich ja mit aller Macht von ihr weggedrängt.«
»Sofie wird morgen nicht da sein.«
»Warum denn das?«
»Grippe. Hast du nicht gesehen, wie blass und still sie war? Was glaubst du denn, warum ich dich die ganze Zeit von ihr ferngehalten habe? Du hast gerade erst eine Erkältung und einen Krankenhausaufenthalt hinter dir, du darfst dich jetzt nicht anstecken.«
»Tu dich am besten mit Mama zusammen, Leander. Ihr wärt ein prima Team.«
Er grinste nur und strich sich selbstverliebt über die Brust. Schmollend zog ich mich in mein Zimmer zurück und surfte wahllos im Internet, um mich abzulenken. Leander machte es sich auf der Fensterbank bequem, schaute wehmütig nach draußen in die Dunkelheit und seufzte ab und zu. Er erinnerte mich an ein eingesperrtes Tier.
»Kannst ruhig nach draußen und ein bisschen rumfliegen. Gerne sogar«, sagte ich, ohne aufzusehen. »Ich komme alleine klar.«
»Mit Sicherheit«, erwiderte er ironisch.
»Mein Gott, Leander, ich putz mir gleich die Zähne und geh dann ins Bett, was soll dabei schon passieren?«
Ich spürte, dass er mich mit seinen Augen durchleuchtete. Es erinnerte mich an das Röntgen im Krankenhaus. In der Röntgenkammer bekam ich auch immer so ein beklemmendes Gefühl wie jetzt. Sogar der Bildschirm meines Laptops schimmerte bläulich auf. Leander versuchte, in mich hineinzusehen. Doch es war mein voller Ernst. Ich log nicht. Heute Abend wollte ich nichts anstellen. Ich hatte nicht die geringste Lust dazu.
»Na gut«, meinte er nach einigen stillen Minuten, in denen ich mich nervös und ohne etwas zu verstehen durch eine englischsprachige Parkour-Seite geklickt hatte. »Kann sein, dass das jetzt schiefgeht. Ich hab nämlich keine Ahnung, ob ich noch dazu fähig bin.«
»Im Krankenhaus hast du es geschafft, trotz eurer eisernen Regel Nummer eins«, sagte ich schnippisch. »Also wird es jetzt auch funktionieren.«
»Und wenn nicht? Was, wenn mein Körper sich nicht auflöst, sobald ich mich von dir entferne?«
»Dann finden wir einen schönen Sarg für dich. Papa hat ein De-luxe-Modell unten stehen. Mit lilafarbenem Satinfutter. Der Deckel ist aus poliertem Mahagoniholz.«
Leander sah mich kopfschüttelnd an. Seine Wangen waren bleich geworden.
»Du bist unmöglich, Luzie.«
»Nein, du bist unmöglich. Und jetzt zisch ab.« Ich hörte mich cooler an, als ich mich fühlte. Was, wenn es nicht mehr klappte? Dann lag ein zerschmetterter Junge mit Huskyaugen auf unserem Gehsteig. Leander drückte zögerlich den Fenstergriff nach unten.
»Aber keine Sit-ups mehr
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