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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Seite und sah aus den Augenwinkeln, wie Leander sich mein Kopfkissen schnappte und auf den Boden vor das Bett zog. Ich fiel weich und tat mir nicht weh. Im nächsten Moment kniete Mama neben mir.
    »Luzie, was um Himmels willen tust du da!? Hast du dich verletzt?«
    »Nein, Mama, alles okay«, erwiderte ich hastig. Mama eilte zu meinem Laptop und versuchte, die Musik auszuschalten. Keine Chance. Sie wurde nur lauter. Ich rappelte mich hoch und erledigte das für sie. Mama schaffte es nicht einmal, vernünftig eine CD aufzulegen. Leander presste sich flach an die Wand, damit Mama ihn nicht streifte, als sie zurück an mein Bett ging.
    »Ich hab nur Musik gehört und – äh, getanzt«, redete ich schnell weiter, bevor sie sich auf die Bettkante setzen konnte. »Das ist nichts Schlimmes, oder? Mädchen tanzen gerne.«
    Leander lachte trocken auf, doch Mamas Blick wurde weicher. Das Wort Mädchen hatte wie immer Wunder gewirkt.
    »Na gut, Luzie. Aber das nächste Mal bitte ein bisschen weniger wild.«
    Ich nickte brav. Mama schien etwas einzufallen.
    »Möchtest du nicht vielleicht doch in die Ballettgruppe des Sportvereins eintreten? Oh Luzie, das wäre wunderbar!«
    Leander kugelte lachend auf den Boden und blieb dort wie ein gestrandeter Fisch liegen. Er wusste ja nichts von Mamas Ballerinatrauma. Sie hatte Tänzerin werden wollen, als sie so alt war wie ich. Doch bei ihrer ersten Pirouette riss sie die komplette Stange aus der Wand. Ihr Ballettlehrer schickte sie daraufhin zum Diskuswerfen. Aber verwunden hatte sie dieses Ballettstundenfiasko bis heute nicht. Und jetzt versuchte sie, mich dazu zu überreden – wie so oft.
    »Nein, Mama, ich glaube nicht …«
    »Ich sehe dich schon auf der Bühne stehen in diesen süßen Strumpfhosen und dem Röckchen – du bist wie gemacht für Ballett mit deiner zarten, schmalen Figur und beweglich bist du auch …«, schwärmte Mama.
    »Und völlig unmusikalisch. Kein Rhythmusgefühl«, sagte ich ernst. »Das hat keinen Sinn, Mama. Leider.«
    »Kein Rhythmusgefühl«, äffte Leander mich ironisch nach. »Oh ja, das haben wir eben gesehen. Überhaupt kein Rhythmusgefühl!«
    Doch Mama fiel darauf herein. Wahrscheinlich erinnerte sie sich wie ich an diesen fürchterlichen Versuch mit dem Klarinettenunterricht vor zwei Jahren. Papa hatte dem Ganzen nach drei Monaten ein Ende gesetzt. Er sagte, bei diesen Tönen drehten sich seine Kunden im Sarg herum – wenn das so weiterginge, würden sie auferstehen und als Zombies Rache suchen. Mein Getröte würde die heilige Totenruhe stören.
    »Ja, da hast du recht, Luzie, leider, leider«, seufzte Mama. »Ach, wie schade. Na, ich wollte dir auch nur sagen, dass es Abendessen gibt. Kommst du?«
    »In Ordnung, bin gleich da.« Als Mama verschwunden war, zog ich schnuppernd die Luft ein. Es roch nach Lasagne. Und wenn es nach Lasagne roch, war das eine Aldi- oder Lidl-Lasagne, mit etwas Glück sogar eine Lombardi-Lasagne. Wir würden diesen Abend also überleben. Mama hatte nicht selbst gekocht. Nach ihrem dritten Lasagneversuch hatte Papa sämtliche Auflaufformen versteckt und dafür gesorgt, dass Mamas Gratinrezepte allesamt auf wundersame Weise verschwanden.
    »Bleib hier, ich bring dir was mit«, wies ich Leander an, mir bloß nicht in die Küche zu folgen, denn er war bereits aufgestanden und neben mich getreten. Ich wollte ihn nicht anschauen, aber dann tat ich es doch. Er grinste breit. Seine hellen Augen glitzerten, als er mir den Ellenbogen in die Seite stieß.
    Wir fingen gleichzeitig an zu lachen, er ausgelassen und herzhaft und ich so unterdrückt und leise, dass mir beinahe der Bauch platzte.
    »Heilige Scheiße«, wimmerte Leander und wischte sich eine Lachträne von der Schläfe. »Wie sie geguckt hat … ihr Blick … über deine Mama könnte ich mich beömmeln.«
    »Hast du sie dir denn nie genau angesehen? Du kennst sie doch schon seit meiner Geburt, oder?«
    »Ich war für dich zuständig, nicht für deine Eltern, Luzie. Ich durfte mich nicht länger als ein paar Sekunden auf sie konzentrieren. Ich hab mich nur für dich interessiert und für sonst niemanden.«
    Er hörte auf zu lachen und kurz huschte ein sehnsüchtiger Ausdruck über sein Gesicht. Auch mein Grinsen erlosch. Ach, wenn Seppo nur einmal so etwas zu mir sagen würde. Denn bei einem Menschen hätte es eine echte Bedeutung. Aber bei Sky Patrol – da war es nur ein Job und nichts anderes.
    Ohne ein weiteres Wort oder einen Gruß ließ ich Leander stehen, ging

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