Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
den letzten Nächten. Aber vielleicht davor?, wisperte eine böse innere Stimme. Du hast ihm das Leben zur Hölle gemacht mit deinen stummen Vorwürfen. Warum sollte er sich nicht ins Bett einer bereitwilligen Frau geflüchtet haben, auf der Suche nach Nähe und Zärtlichkeit. Und Sex. Und nun ist es Zeit, das zu beenden. Dafür hat er die Stunden genutzt, in denen du beim Arzt warst – und sich doch anders entschieden.
Sie vertrieb die gehässige Stimme. Ich liebe dich. Ein paar Stunden waren erst vergangen, seit er diese Worte an sie gerichtet hatte. Er lag nicht im Bett einer anderen!
Ihre Gefühle schlugen Wellen. Eine Mischung aus Angst, ihm könnte etwas zugestoßen sein, und Ärger über seine Rücksichtslosigkeit, keine Nachricht zu hinterlassen und nicht einmal ans Handy zu gehen. Denn eingeschaltet war es. Die Mailbox hatte sich bei beiden Versuchen erst nach dem fünften oder sechsten Läuten gemeldet.
Wieder ging sie ins Haus, tigerte unruhig umher. Was war los? Im Flur blieb ihr Blick in der Schale auf der Ablage hängen. Dort war sein Schlüsselbund. Ungläubig starrte sie darauf. Den hatte er noch nie vergessen. Langsam sickerte die Erkenntnis in ihr Bewusstsein: Wenn der Schlüsselbund da war, war auch Stefan da. Hier im Haus. Irgendwo. Angst legte sich hinter ihr Brustbein, sog jeden Gedanken aus ihrem Schädel, ein Vakuum entstand. Eine flimmernde und rauschende Leere.
War sie das, die das Telefon aus der Ladeschale nahm, seine Nummer wählte, durch das Haus ging und lauschte? Lauschte, bis sie leise, von irgendwoher kommend, die Melodie seines Handys hörte, die wieder verstummte. Dann ging auch schon die Mailbox ran. Sie legte auf, wählte erneut, erreichte wieder den Flur. Leise drang eine zum Klingelton massakrierte Version von Singin’ in the Rain an ihr Ohr. Sie kam aus dem Keller.
73
Es war schon vier, als Mika sich aus dem Bett wuzelte. Auf dem Boden stand ein Tablett mit den Erkältungsmitteln, die Mam angeschleppt hatte. Die Sommergrippe hatte Mika doch erwischt. Sie fühlte sich so zerschlagen, als wäre eine Herde Dromedare über sie hinweggetrampelt.
Aus Phillips Zimmer dröhnte Musik. Er war wieder da, und Mam behandelte ihn wie einen unschuldig Verfolgten. Logisch, denn so hatte er sich präsentiert. »Die haben mich auf einer nackten Pritsche schlafen lassen. Mein Rücken ist im Arsch. Und zu trinken habe ich fast nichts bekommen. Ich bin beinahe verdurstet. Und da, schau, blaue Flecken!« Theatralisch hatte er das Shirt hochgezerrt. Mam war fast in Ohnmacht gefallen. Na ja, schön sah das nicht aus. Aber wer wusste schon, woher diese Flecken wirklich stammten. Mam war der Meinung, das grenzte an Folter. Dr. Bender prüfte bereits, wie man dagegen vorgehen konnte. Dienstaufsichtsbeschwerde oder gleich eine Strafanzeige? Mam überlegte sogar, die Presse zu informieren. Fehlte nur noch, dass sie Amnesty International einschaltete.
Und natürlich war Christian der böse Bube im Spiel. Phillip war das bedauernswerte Opfer eines falschen Freundes . Mika hätte kotzen können. Mam und wie sie die Welt sah. Ihre Welt. Ihre verdrehte Wahrnehmung. Ihre ewigen Rechtfertigungen, mit denen sie die Fehler ignorierte, die ihre Kinder machten. Immer waren die anderen schuld. Mika stöhnte. Hoffentlich wurde sie nie so wie ihre Mutter. Sollte sie sich je dabei erwischen, eine von Mams Taktiken anzuwenden, würde sie sich echt einen Therapeuten suchen.
Die Luft in ihrem Zimmer war stickig. Kein Wunder. Die Fenster waren den ganzen Nachmittag über geschlossen gewesen. Irgendwas am Pool war kaputt. Zwei Handwerker hatten stundenlang mit dem Pressluftbohrer Krach gemacht. Jetzt war Ruhe. Mika öffnete die Tür zum Balkon. Das leere Becken lag unter ihr. Die ruhige Wasseroberfläche war verschwunden. Keine Assoziationen mehr von Glas, durch das sie brechen konnte. Darüber war sie seltsamerweise froh. Es war, als sei ein böses Omen verschwunden. Und dennoch spürte sie, dass irgendwo etwas auf sie lauerte. Dieser Gedanke ließ sie erschauern. Sie bekam Gänsehaut. Fröstelnd schlang sie die Arme um sich. Vermutlich lag das an der Erkältung, doch es gelang ihr nicht, dieses Gefühl zu vertreiben. Etwas war in Gang gekommen, das sich nicht aufhalten ließ, das auf sie zuraste. Sie spürte es. Es machte ihr Angst.
Unwillig schüttelte sie den Kopf. Was sie nur dachte. Mam hatte irgendwie recht. Und auch wieder nicht. Langsam musste sie sich aus der Trauer um Isa befreien. Doch allein der
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