Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Dühnfort einen Anruf von Berentz aus der Einsatzabteilung erhalten. »Suizid in Unterhaching. Stefan Schäfer. Der hat doch etwas mit eurem aktuellen Fall zu tun?«
Isas Vater hatte Selbstmord begangen? Einen Augenblick sträubte sich etwas in Dühnfort, das zu glauben. »Stefan Schäfer? Ja. Wir übernehmen das.«
Kirsten war mit Leyenfels unterwegs. Alois hatte einen Anruf von Alexa erhalten: Anike hatte Kontakt aufgenommen. Also fuhr Dühnfort alleine nach Unterhaching. Bisher hatte er Buchholz noch nicht informiert, obwohl er entschlossen war, auf alle Fälle die KTU vor Ort zu holen. Auch wenn das ein Selbstmord sein sollte, stand er im Zusammenhang mit einem Mord. Da würden sie ganz genau hinsehen. Doch erst wollte er sich selbst ein Bild machen.
Die Haustür war offen. Die Glasfüllung der Küchentür fehlte. Was war da passiert? Aus dem Wohnzimmer drangen Stimmen.
»Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr.« Ein heiserer Singsang, beinahe ein Flüstern, entstieg Marlis Schäfers Kehle. Sie saß auf der Couch, die Arme um den Oberkörper geschlungen. Ein stetes Wiegen. Vor und zurück. Vor und zurück. »Das ist nicht wahr. Das ist nicht wahr.«
Zwei Rettungssanitäter packten ihre Sachen zusammen. Der Notarzt war vor ihr in Hockstellung gegangen und versuchte, zu ihr durchzudringen. »Frau Schäfer, ich glaube, es ist besser, wenn Sie nicht allein sind. Kann sich jemand um Sie kümmern? Verwandte? Eine Freundin? Wen kann ich anrufen?«
Sie reagierte nicht darauf, wiegte sich weiter in diesem monotonen Singsang vor und zurück, während der Arzt versuchte, sie zu erreichen. Es gelang ihm nicht. Er stand auf. »Gehören Sie zur Familie?«
»Dühnfort. Kripo. Wo ist es passiert?«
»Im Keller. Wir haben den Toten nicht angerührt. Wenn …« Er warf einen Blick auf Marlis Schäfer. »Na ja, Sie werden es sehen. Jedenfalls war sofort klar, dass wir nichts mehr tun können, und Ihnen erleichtert es die Arbeit.«
Dühnfort nickte. »Wer hat ihn gefunden?«
»Seine Frau. Sie hat auch den Notruf gewählt.«
An schreckliche Anblicke hatte er sich gewöhnt. Marlis Schäfer kannte derartige Bilder nicht. Ihr Mann war alles gewesen, was ihr von ihrer Familie geblieben war. Und nun hatte sie auch ihn verloren. Diese Bilder würde sie nie mehr loswerden.
»Kann ich es mal versuchen?«
»Es hat keinen Sinn. Im Moment ist sie unerreichbar. Sie hat sich vor dieser schrecklichen Wahrheit abgeschottet. Ein Schutzmechanismus.« Der Arzt breitete die Hände aus. »Ich werde sie einweisen. Zur Beobachtung. Nicht, dass sie es ihrem Mann gleichtut.«
»Gut. Wissen Sie schon, wohin?«
»Im Rechts der Isar ist etwas frei. Psychiatrische Abteilung.«
Dühnfort verließ das Wohnzimmer und ging in den Keller. Auch hier war alles picobello sauber. Ein hellgrau gefliester Vorplatz, gesäumt von weißen Einbauschränken. Bei einem stand die Tür einen Spalt offen. Wintermäntel und Jacken hingen darin. In der Luft lag ein schwacher Geruch nach Heizöl und Weichspüler. Heizungskeller, Waschküche, ein Gästezimmer. Daneben eine Werkstatt. Kunststoffboden. Weiße Wände. Regale voller Werkzeug und Heimwerkerbedarf. Ein Fenster, hinter dem sich eine begrünte Anböschung erstreckte, darunter ein Arbeitstisch. Auf dem Boden davor lag ein umgekippter Holzstuhl und daneben die Leiche von Stefan Schäfer, auf der Seite, Dühnfort den Rücken zugewandt. Der Hinterkopf war größtenteils weggesprengt. Blut und Hirnmasse verteilten sich trichterförmig vom Tisch Richtung Tür. Dühnfort holte Latexhandschuhe aus der Tasche, zog sie über und näherte sich dem Toten in einem weiten Bogen. Die Waffe lag einen halben Meter von der Leiche entfernt. Es war eine Ruger Redhawk, ausgelegt für Kaliber .44 Magnum. Ein älteres Modell mit abgenutzter Griffschale und deutlichen Gebrauchsspuren. Dühnfort ging in die Hocke und betrachtete Stefan Schäfers rechte Hand. Ausgedehnte Beschmauchung oberhalb des Daumens und Zeigefingers. Dort fanden sich Blut- und Gewebespuren. Typische Hochgeschwindigkeitsspritzer. Zweifelsfrei ein Selbstmord. Isas Vater musste auf dem Stuhl gesessen sein, als er sich die Waffe in den Mund gesteckt hatte und abdrückte.
Dühnfort erhob sich aus der Hocke und sah sich nach einem Abschiedsbrief um. Er entdeckte ihn auf der Arbeitsplatte, neben einer ausgequetschten Tube Pattex-Kleber und einem Kugelschreiber. Ein Bogen kariertes Papier, offenbar von einem Block abgerissen.
Meine Liebste,
bitte verzeihe mir, was ich
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