Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
wird die Sachen weggeworfen haben.«
Dennoch zog ihn etwas in den Keller. Alles war wie am Vorabend. Die Schranktür auf dem Vorplatz war angelehnt. In der Werkstatt hatte sich nichts verändert. Sie bot denselben Anblick wie vierzehn Stunden zuvor. Bis auf die Tatsache, dass der Leichnam fehlte und die sich zersetzenden Gewebereste den Geruch von Fäulnis und Verfall verbreiteten. Dühnfort öffnete das Fenster.
Warum hatte Schäfer den Overall und die Mütze weggeworfen, die Waffe aber behalten?
Auf der Arbeitsplatte standen noch immer die Schuhe. Unter dem Tisch bemerkte Dühnfort ein zweites Paar. Sie waren sehr ähnlich. Schuhe mit einer dicken Profilsohle. Wohl fürs Wandern gedacht.
Kirstens Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. »Kommst du mal? Ich habe was gefunden.«
Er verließ diesen trostlosen Ort und ging nach oben. »Was gibt es?«
»Sieh dir das an.« Sie reichte ihm ein Fotoalbum. Die aufgeschlagene Seite zeigte einen alten Herrn in Jagdkleidung, eine Büchse in der Hand.
»Ja?«
»Das ist Marlis Schäfers Vater. Er ist Jäger. Wir sollten ihn fragen, ob er die Ruger vermisst. Wenn ich mich recht erinnere, meinte Buchholz, das Kaliber sei typisch für Kurzwaffen zur Nachsuche.«
Sie hatte recht, und sie war gut. »Hast du eine Telefonnummer?«
Sie nickte und nannte sie ihm. Er zog das Handy hervor und wählte. Das Gespräch stellte sich als undurchführbar dar. Der alte Mann war schwerhörig. Dühnfort suchte die Nummer der Polizeiinspektion von St. Englmar heraus und bat die Kollegen, Marlis Schäfers Vater die Nachricht vom Tod seines Schwiegersohns zu überbringen und dann nach der Ruger zu fragen. Es dauerte beinahe eine Stunde, bis er die Antwort erhielt. Dem alten Herrn fehlte die Waffe. Er hatte das Verschwinden allerdings bisher nicht bemerkt. Seine Tochter und sein Schwiegersohn waren Pfingsten zu Besuch gewesen. Bei dieser Gelegenheit musste Stefan Schäfer die Waffe an sich genommen haben. Dühnfort dankte den Kollegen und legte auf. Schäfer hatte den Mord an Sascha also von langer Hand geplant.
»Woher er die Waffe hat, wäre also geklärt.« Er wollte das Handy in die Hosentasche schieben, als es zu klingeln begann. Meo meldete sich.
»Wir haben Saschas Facebook-Daten und die IP des Rechners ausgewertet, von dem aus er die Mails an Isa verschickt hat. Ich sitze grad davor. Du wirst es nicht glauben, wo der steht.«
77
Mika wachte erst gegen Mittag auf und drehte sich noch einmal auf die Seite. Doch es war zu heiß und stickig, um wieder einschlafen zu können. Sie hatte doch das Fenster geöffnet, als sie im Morgengrauen ins Bett geschlüpft war. Weshalb war es jetzt zu? Blinzelnd stand sie auf und ließ frische Luft herein. Und Lärm. Die Handwerker waren wieder zugange. Mam musste das Fenster geschlossen haben, damit sie schlafen konnte. Irgendwie war das ja nett und lieb. Und doch war das zu viel. Ärger vertrieb die Müdigkeit. Verdammt! Sie war kein Baby. Sie konnte das Fenster selbst schließen, wenn sie das wollte. Wütend knallte sie es zu und ging in die Küche. Niemand da. Prima. Sie hatte keine Lust, jemandem zu begegnen. Ein großer Latte macchiato mobilisierte die Lebensgeister. Im Kühlschrank stand eine Schüssel Obstsalat. Mika nahm sich davon und dazu einen Joghurt.
Am Abend kam Paps heim. Sollte sie die große Neuigkeit dann verkünden? Oder sollte sie warten, bis sie sich ein WG-Zimmer organisiert hatte? Mam würde sicher Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um zu verhindern, dass Mika nach Berlin ging, und Paps würde es auch nicht gefallen. Vielleicht sollte sie erst alles festmachen. Wohnung und Studienplatz, und falls sie den nicht sofort bekam, dann eben einen Job. Wenn alles unterschrieben war, gab es kein Zurück.
Lukas fand ihre Entscheidung gut, obwohl er traurig war, dass dann auch sie noch weg war. Er hatte Daniels Oma auf dem Friedhof getroffen, als sie die Grabstelle auswählte. Sie war total fertig gewesen und hatte Lukas gebeten, Mika zu informieren, dass Daniel übermorgen beigesetzt wurde.
Etwas ging zu Ende. Und etwas Neues konnte erst beginnen, wenn sie endgültig Abschied genommen hatte. Abschied von Daniel, von ihrem bisherigen Leben, ihrer Familie, von einer Freiheit, die es vielleicht nie wieder geben würde. Doch was war das schon für eine Freiheit? Die der Verantwortungslosigkeit. Bei diesem Gedanken schrak sie zusammen. Doch es stimmte. Bisher hatte sie die Verantwortung für ihr Leben nicht übernommen. Es war höchste
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