Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Zeit. Berlin. Die Beuth-Hochschule. Vielleicht war ja schon eine Antwortmail da.
Sie trank den Rest Kaffee und ging nach oben. Die Tür zum Zimmer ihrer Mutter stand einen Spaltbreit offen. Die Rollos waren heruntergelassen. Im Zwielicht sah Mika eine Gestalt auf dem Bett liegen. Mam. War sie krank? Leise trat sie ein. »Mam? Geht es dir nicht gut?«
Ihre Mutter drehte sich herum, setzte sich auf und strich das Haar straff aus dem Gesicht. Ihre Stimme trug nicht, klang brüchig. »Stefan hat sich erschossen.«
Was! »Warum denn?« Mikas Stimme klang schrill, während sich gleichzeitig eine unsichtbare Hand um ihren Hals legte.
»Er war es, der Daniel … Er hat ihn erschossen.«
»Isas Papa? Daniel? Weshalb!«
»Er muss wohl geglaubt haben …« Mama wischte sich mit einem Tempo die Tränen weg. »Er dachte, Daniel … Also, dass er Sascha sei. Er konnte … Er konnte wohl damit nicht leben.«
»Aber Daniel war das nicht.« Wie kam Isas Vater auf die Idee! Es musste ein Irrtum sein. Die Wahrheit traf sie wie ein Schlag: Daniel war wegen eines Irrtums gestorben. Isas Vater hatte ihn einfach abgeknallt. Wegen nichts! Nichts! Nichts! »Daniel war das nicht. Er war nicht Sascha!«
Dünnes Eis, das sicheren Boden vorgaukelte, doch darunter lag unendliche schwarze Tiefe. Wieder entstand dieses Bild in ihr, wieder spürte sie das Schwanken unter ihren Füßen, dieses kaum wahrnehmbare Vibrieren, das stärker wurde und stärker, bis diese dünne trügerische Schicht bebte, Risse und Sprünge sich auftaten. Eine Kraft, die sie in die Tiefe zog. Sie musste hier weg und sprang auf.
In ihrem Zimmer knallte die Sonne durch die Scheiben. Unbarmherzig. Sie lehnte den Kopf daran. Unten im Pool arbeiteten die Handwerker. Die Äste der Buche bewegten sich im sachten Wind. Über den Himmel zogen weiße Schlieren. Die ersten Wolken seit Wochen. Daniel war nicht Sascha gewesen.
Doch Sascha war an allem schuld. Isa hatte sich seinetwegen das Leben genommen. Daniel war seinetwegen erschossen worden, und dann hatte Isas Vater sich selbst getötet. Drei Tote. Wegen Sascha, dieser miesen Ratte, die sich in ihrem Loch verkroch. Doch sie würde ihn da rauszerren.
Mika setzte sich an den Schreibtisch, zog den Stapel Mailausdrucke heran. Hoffentlich hatte er in einer seiner Mails Isa eine Telefonnummer genannt oder seinen Familiennamen. Irgendetwas, das ihn enttarnte.
Sie überflog die Mails auf der Suche nach Zahlen. Fehlanzeige. Gut, dann musste sie eben jedes Wort lesen, jede Information zu ihm finden, bis sie etwas entdeckte, das zu ihm führte. Mondprinzessin. An diesem Wort blieb sie hängen. So hatte er Isa genannt. Das war sein Name für sie, und nur für sie beide bestimmt gewesen. Niemand sonst sollte ihn kennen. Was für ein romantischer Schwachsinn. Natürlich hatte Isa ihr davon erzählt. Mit glühenden Wangen und glänzenden Augen. Sascha war so lieb und so romantisch. Er sah sich sogar die Twilight -Filme an. Ein Kerl, der auf Bella und Edward stand, das hatte sie damals schon gewundert. Aber Sascha hatte alles toll gefunden, was Isa toll fand. Logisch. Er wollte sie ja manipulieren. In einer der Mails, die sie gerade überflogen hatte, stand etwas über Twilight . Mika nahm sie sich noch mal vor. Sascha schrieb, er habe sich die Twilight-Triologie auf Blu-Ray gekauft.
Mika stutzte. Triologie.
Sascha hatte Triologie geschrieben.
Ihr wurde übel. Das konnte nicht sein. Nicht das. Ein Zufall. Sicher gab es Tausende Menschen, die diesen Fehler machten. Und doch. Es würde passen!
Auf ganz schreckliche Weise würde es passen!
Mika würgte die Übelkeit herunter. Das durfte nicht sein. Doch der Verdacht war da, und er ließ sich nur auf eine Weise ausräumen … oder bestätigen.
Mit zitternden Fingern setzte sie sich an ihren Laptop, öffnete die Startseite von Facebook und gab die erforderlichen Daten ein. Mailadresse und das Passwort. SaasFee. Langsam füllte sich der Ladebalken. Sekunden später war Mika als Sascha eingeloggt.
Sie schaffte es nicht noch einmal. Würgend rannte sie ins Bad und erbrach sich. Wieder und wieder. Bis kalter Schweiß ihren Körper bedeckte und sie zitternd auf dem Fliesenboden lag.
78
Sie war zu weit gegangen. Sie hatte eine Grenze überschritten. Sicher hatte sie nicht auch nur einen Moment innegehalten und versucht, sich vorzustellen, was sie in Gang setzte, was ihre hinterhältige Rache in Isa auslösen konnte, was sie ihr und ihrer Familie antat. Keine Sekunde hatte sie an
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