Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
überlegte, wie er beginnen sollte, und für einen Augenblick erschien es ihm unmöglich, ihr zu sagen, wer hinter all ihrem Unglück steckte.
»Sie wollen Antworten. Deswegen sind Sie hier?« Ihr Blick blieb nach draußen gerichtet. Ihre Stimme war mürbe.
Gut. Dann erst der Fall und anschließend die schreckliche Wahrheit. »Fühlen Sie sich in der Lage, Fragen zu beantworten?«
»In der Lage schon. Aber ich habe keine Antworten. Glauben Sie nicht, dass ich mir nicht auch Fragen stelle?«
»Die Waffe …«
»Das ist die einzige Antwort, die ich habe. Sie wird meinem Vater gehören. Er ist Jäger und besitzt eine Ruger. Seit Pfingsten offenbar nicht mehr. Wir haben ihn an Pfingsten besucht.«
»Ja. Das haben wir schon herausgefunden. Haben Sie eine Vermutung, wie Ihr Mann auf die Idee gekommen ist, Daniel sei Sascha?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Hände verkrampften sich ineinander.
»Hat er nie mit Ihnen darüber gesprochen, dass er ihn in Verdacht hatte?«
»Stefan ist …« Sie schluckte. »Er war jemand, der die Dinge mit sich abgemacht hat. Allerdings … ganz am Anfang … also kurz nachdem Isa … Die Vermutung war einfach da, Daniel könnte dahinterstecken. Er war Mikas Freund. Und Isa hatte doch das Video von Mika ins Netz gestellt. Aber dann haben die beiden sich versöhnt. Alles war gut. Doch Sascha war weiter aktiv … Es konnte also nicht Daniel sein.« Ihr Blick ging wieder zum Fenster hinaus, blieb an den Bäumen hängen, eine undurchdringliche Mauer aus Ästen und Nadeln. »Wir haben uns getäuscht. Daniel ist an allem schuld. Er hat unsere Familie zerstört.« Ihre Stimme, die eben noch brüchig gewesen war, wurde fest.
Es würde ihn nicht überraschen, wenn sie gleich hinzufügte, Daniel habe es nicht anders verdient. Natürlich. Ein solches Schicksal war leichter zu ertragen, wenn die Rollen klar verteilt waren in Täter und Opfer. Und Marlis Schäfer schien nicht die Absicht zu haben, ihren Mann als beides zu sehen. Als Opfer und Täter.
Doch Dühnfort sah den Mörder in ihm. Stefan Schäfer hatte sich zum Richter und Henker aufgeschwungen, hatte sich zuständig und kompetent gefühlt und vor allem im Recht. Und dabei hatte er einen schrecklichen Irrtum begangen.
»Was wäre denn schon passiert, wenn Stefan Daniel angezeigt hätte? Nichts. Er hat sich ja nichts zuschulden kommen lassen. Er hat nur unsere Tochter in den Tod getrieben, und das ist nicht strafbar«, sagte sie voller Verachtung. Ihr Blick streifte seinen. Sie sah das Unverständnis darin und zog die Schultern hoch. »Ich kann meinen Mann nicht dafür verurteilen … nur dafür, dass er … Er hätte mit mir reden müssen.«
Ärger stieg in Dühnfort auf. Ihre selbstgerechte Haltung machte ihn zornig. »Sie sollten froh sein, dass er das nicht getan hat. Hätte er Sie eingeweiht, müssten Sie sich als Mittäterin verantworten. Außerdem hat Ihr Mann den Falschen abgeknallt. Daniel war nicht Sascha.«
Sie zuckte zusammen. »Was reden Sie denn da? Natürlich war er Sascha.«
»War er nicht. Das habe ich Ihnen schon einmal gesagt. Inzwischen wissen wir, wer Sascha ist. Wir haben die Daten von Facebook bekommen und ausgewertet. Saskia Eckel hat sich mit ihrem richtigen Namen bei Facebook angemeldet und ein Profil mit dem Pseudonym ›Sascha‹ eingerichtet. Die Verbindungsdaten führen ausschließlich zu ihrem PC an ihrem Arbeitsplatz. Mikas Mutter hat sich als Sascha ausgegeben.«
Sie wurde ganz bleich. »Was?«, flüsterte sie. »Das ist nicht wahr. Sie lügen. Warum tun Sie das?«
79
Sie konnte hier nicht länger liegenbleiben und rappelte sich auf. Auf unsicheren Beinen ging Mika in ihr Zimmer. Ihr Körper schien wie mit Blei gefüllt. Der Boden schwankte unter ihren Füßen.
Mam! Was hast du getan?
Wieder lehnte sie den Kopf gegen die Scheibe. Der Himmel hatte sich mittlerweile grau bezogen. Eine Platte aus Metall, die zur Erde zu stürzen drohte, um alles unter sich zu zermalmen und zu begraben.
Die Handwerker machten für heute Schluss. Einer legte Werkzeug in die Metallkiste auf dem Beckenboden. Der andere unterhielt sich mit Mam. Wie sie da so stand, in ihrem luftigen Rock auf hohen Hacken.
Aus Phillips Zimmer wummerte Musik. Paps war im Landeanflug, und Mam redete mit den Handwerkern. Alles sah so normal aus. Wenn man das filmte, würde man nichts entdecken. Eine ganz normale Familie. Welch eine Lüge!
Mika riss sich zusammen. Sie wollte Antworten und würde nur Rechtfertigungen bekommen. Doch
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