Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
bis maximal Mitte dreißig, meinte Bram.
Somit musste einer von Brams und Anikes Kunden den Kauf für Stefan abgewickelt haben. »Okay. Jetzt ist euer Gedächtnis gefragt. Ich will die Namen von allen, die im Juli mehr gekauft haben. Um genau zu sein, wenigstens zwölf Stück.«
Bram lachte trocken. »Denkst du, die reden mit dir?«
»Jo. Denke ich. Man muss sie nur ausreichend motivieren.«
82
Verena Bender, Saskia Eckels beste Freundin und Ehefrau des Anwalts der Familie, holte Mikas Mutter ab. »Du brauchst den räumlichen Abstand. Du kommst zu uns!«, erklärte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
Der Tod von Mika musste genauer untersucht werden. Außerdem gab es noch offene Fragen im Mordfall. Dühnfort bat um die Schlüssel fürs Haus und erhielt sie widerspruchslos. Minuten später fuhr der silbergraue BMW mit den beiden Frauen vom Garagenvorplatz.
Einige Nachbarn hatten sich vor dem Haus der Eckels versammelt und blickten stumm zu Dühnfort herüber.
Innerhalb einer Stunde ein Notarzteinsatz und der Leichenwagen. Natürlich waren sie begierig zu erfahren, welche Tragödie sich im Haus dieser vom Glück verwöhnten Familie zugetragen hatte. Man würde Mitleid haben und doch auch eine, manchmal vielleicht beunruhigende, Schadenfreude und Häme spüren. Alles hatte seinen Preis. Man konnte nicht immer auf der Gewinnerseite im Leben stehen. Irgendwann schlug das Schicksal zu und forderte Tribut. Und wenn das Mitleid verflogen war wie ein Schatten in der Nacht, dann würde man zu ergründen versuchen, was geschehen war, dann würden aus Halbwahrheiten Gewissheit und aus Vermutungen Tatsachen. Man hatte es ja schon immer gewusst, dass da irgendetwas nicht stimmte.
Dühnfort wandte sich ab, schloss die Gartentür hinter sich und kehrte zurück. Im Haus war es still. Eine bleierne Ruhe. Der Regen rann lautlos über die großen Fensterflächen. Noch immer lag dieses merkwürdige graue Licht über allem. Noch zwei offene Fragen, dann konnte er den Fall abschließen. Eigentlich drei. Wie war Mika dahintergekommen, dass ihre Mutter Sascha war?
Dühnfort gab sich einen Ruck und ging nach oben. Die Tür zu Mikas Zimmer stand offen. Er sah sich um. Der Raum einer jungen Frau, der den Eindruck erweckte, nur für einen Moment verlassen worden zu sein. Jeden Augenblick konnte die Bewohnerin zurückkehren, sich an den Schreibtisch setzen, aufs Bett legen oder im Schrank nach dem passenden Outfit für das Treffen mit Freunden heute Abend suchen. Sie würde nach dem Handy greifen, das neben der Tastatur lag, und sich lachend und scherzend verabreden.
Es erschien ihm unvorstellbar, dass Mika nie wieder dieses Zimmer betreten würde. Die Wut auf Saskia Eckel wollte wieder auflodern, doch es wurde nur ein schwaches Züngeln, das eine Woge von Trauer und Hoffnungslosigkeit mit sich nahm.
Der Laptop auf dem Schreibtisch war eingeschaltet. Dühnfort griff nach der Maus, knisternd ging der Monitor in Betriebsstatus. Eine Facebook-Seite war geöffnet. Es war die von Sascha. Wie hatte sie es geschafft, sich als Sascha einzuloggen?
Ausdrucke von Saschas Mails lagen neben dem Handy. Sie stammten von Isas Mail-Account. Wie war sie an die gelangt? In einer hatte Mika ein Wort mit Kuli eingekringelt. Triologie. Ein Tippfehler. Doch er hatte Mikas Aufmerksamkeit derart erregt, dass sie ihn mit drei Ausrufezeichen versehen hatte. Und plötzlich verstand Dühnfort. Eine Art Wortmarker, ein typischer Fehler. So wie seine Zahnärztin immer Expresso sagte statt Espresso. Offenbar benutzte Mikas Mutter den Begriff Triologie anstelle von Trilogie. Falls Mika dann noch Passwörter ihrer Mutter kannte oder diese leicht zu erraten waren, dann war der Rest einfach gewesen.
Damit war eine der drei Fragen beantwortet, jedenfalls mutmaßlich. Denn mit Sicherheit würde er das nie erfahren. Mika war tot.
Seine Wut wich Hilflosigkeit. Vier ausgelöschte Leben. Er verstand es nicht.
Unten klingelte das Telefon. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. »Hallo, Schatz, ich bin noch in London. Der Flug aus Shanghai hatte Verspätung. Ich habe den Anschlussflug verpasst und werde jetzt zusehen, dass ich hier heute noch wegkomme. Wenn nicht, übernachte ich in einem Flughafenhotel und fliege morgen früh. Ich melde mich später noch mal.« Mit einem Klicken schaltete sich der Anrufbeantworter aus.
Dühnfort überlegte, ob er Thomas Eckel zurückrufen sollte. Eine solche Botschaft überbrachte man allerdings besser nicht am Telefon.
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