Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
hervor und faltete sie auseinander. Auf dem Boden neben einer Metallkiste lag Mika. Der Regen wusch Blutspuren von Ohr und Nase, spülte rote Rinnsale vom deformierten Hinterkopf. Der Notarzt breitete die Folie über Mika. Sie war tot. Dühnfort konnte das nicht glauben. Wollte nicht. Alles in ihm sperrte sich dagegen. Er atmete durch, versuchte sich zu sammeln und wandte den Blick ab, während er gleichzeitig den Druck ignorierte, der sich in ihm aufbaute.
Saskia Eckel schlug auf einen Handwerker ein, der mit erhobenen Armen versuchte, ihre Schläge abzuwehren und ihre Hände zu fassen zu bekommen. »Sie sind schuld! Sie tragen die Verantwortung dafür!« Wie von Sinnen schlug sie um sich.
Phillip stand an die Terrassentür gelehnt, kreidebleich, und beobachtete, was vor sich ging, als würde er es nicht verstehen und nicht dazugehören.
Der Notarzt kletterte aus dem Becken. Es war derselbe wie gestern bei den Schäfers. »Sie schon wieder. Hängt das irgendwie zusammen?«
Dühnfort zog die Schultern hoch. »Was ist passiert?«
Ein Kopfschütteln. »Offenbar eine Rangelei zwischen Mutter und Tochter. Das Mädchen ist dabei in den Pool gestürzt und mit dem Kopf auf eine Metallkiste aufgeschlagen, die der Poolbauer vergessen hat. Wenn er das etwas früher bemerkt hätte …« Er machte eine vage Handbewegung. »Die Kante hat ihr das Genick gebrochen. Sie muss innerhalb von Sekunden tot gewesen sein.«
Dem Handwerker gelang es nicht, sich Saskia Eckel vom Leib zu halten. Dühnfort wurde das zu viel. Er ging dazwischen und zog sie weg. »Beruhigen Sie sich!«, herrschte er sie an, in einem Tonfall, der ihm nicht gefiel.
Verblüfft machte sie sich los, schüttelte ihn ab. Doch der Ausbruch schien verpufft. Wasser lief ihr aus den Haaren, Strähnen klebten im nassen Gesicht. Sie ließ sich auf einen Gartenstuhl unter dem Vordach fallen.
Der Notarzt bot an, sich um die Formalitäten zu kümmern und um den Abtransport von Mikas Leiche in die Rechtsmedizin. Während er sprach, rutschte Phillip kraftlos an der Terrassentür entlang und setzte sich auf den Boden. »Ich schlage vor, wir gehen jetzt alle hinein«, sagte Dühnfort. »Sie auch.« Das galt dem Handwerker, der den Eindruck erweckte, den Rückzug antreten zu wollen. Mika war eine nicht natürlichen Tod gestorben. Es galt, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, und genau das würde er jetzt tun.
Die Routine seiner Arbeit half ihm, sich das Entsetzen vom Leib zu halten. Der Notarzt zog mit seinen Leuten ab, nachdem er den Totenschein ausgestellt hatte und Mikas Leiche abgeholt worden war. Kurz danach ging der Handwerker, der seine Aussage gemacht hatte. Er hatte die Kiste vergessen und war zurückgekehrt, um sie zu holen. Doch da war der Unfall bereits geschehen. Gesehen hatte er ihn nicht. Er war zeitgleich mit dem Notarzt eingetroffen. Den hatte Phillip gerufen. Er hatte den Streit zwischen seiner Schwester und Mutter vom Fenster seines Zimmers aus verfolgt. Seine Mam hatte Mika eine Ohrfeige gegeben. Mika hatte zurückgeschlagen und sich losgerissen. Dabei hatte sie das Gleichgewicht verloren und war in den leeren Pool gestürzt. Ein schrecklicher Unfall also. Dühnfort fragte, worum es bei dem Streit gegangen war.
»Ich habe es nicht richtig verstanden. Mika hat Mam vorgeworfen, Isa in den Tod getrieben zu haben. Aber dann müsstest du ja Sascha gewesen sein.« Die letzten Worte richtete er beinahe ungläubig an seine Mutter, die darauf nicht reagierte. »Mam! Ist das wahr?«
Sie rang sich ein Nicken ab. »Ich hab doch nur das Beste gewollt.«
Phillip wurde noch bleicher. Er stand auf und wirkte seltsam gefasst. »Kann ich gehen, oder brauchen Sie mich?«
»Später. Es gibt noch Fragen.«
»Wohin willst du?« Die Stimme von Phillips Mutter bekam einen schrillen Unterton.
»Weg, Mam. Einfach nur weg.« Er klang wie ein alter, erschöpfter Mann. »Meine Handynummer haben Sie ja.« Das galt Dühnfort. Phillip verließ den Raum. Seine Mutter sah ihm nach. Unverständnis im Blick.
Einen Moment überlegte Dühnfort, ob er Saskia Eckel das anstehende Gespräch vorerst ersparen sollte. Ihre Tochter war gestorben, ihr Sohn verließ sie, ihr Mann war irgendwo, nur nie daheim. Konnte er ihr das zumuten? Doch was hatte sie anderen zugemutet und angetan? Es war unsagbar. Dafür fehlten ihm tatsächlich die Worte.
»Frau Eckel, wie hat Ihre Tochter herausgefunden, dass Sie sich als Sascha ausgegeben haben?«
Sie schwieg. Er bemerkte, wie sie sich zusammenriss,
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