Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Mikas Vater würde sicher versuchen, seine Frau auf dem Handy zu erreichen, und so die schreckliche Wahrheit erfahren. Er konnte es ihm nicht ersparen.
Diese bleierne Stille zerrte an seinen Nerven. Doch nicht nur sie allein. Noch immer wusste er nicht, wie Stefan Schäfer auf die wahnwitzige Idee gekommen war, Daniel sei Sascha. Vielleicht würde er das nie erfahren. Dühnfort entschloss sich, Daniels Kollegen deswegen zu befragen. Vielleicht war ihnen etwas aufgefallen, die Schäfers waren schließlich Kunden im Autohaus.
Sein Handy begann zu klingeln. Christoph Leyenfels meldete sich und wollte wissen, wann er mit dem Abschlussbericht im Fall Daniel Ohlsberg rechnen konnte.
»Das wird noch dauern. Zwei Punkte sind noch offen.«
»Nämlich?«
»Um den Fall rundum abzuschließen, sollten wir herausfinden, wie Stefan Schäfer Daniel für Sascha halten konnte und woher er die Weißen Mitsubishi hatte. Dann sind alle Fragen geklärt.«
»Das sind doch Peanuts. Wir haben das Geständnis. Wir haben die Tatwaffe, und die Spuren daran stützen es.«
»Ein sehr dürftiges Geständnis. Zur Tat selbst hat Schäfer sich ausgeschwiegen.«
»Hast du etwa Zweifel?«
Erst jetzt, als Leyenfels ihn direkt danach fragte, wurde ihm bewusst, dass er tatsächlich Vorbehalte hatte. »Mir ist das zu mager. Machen wir die Sache rund. Und dann bekommst du den Bericht.«
83
Als Dühnfort nach Hause kam, fielen die Tropfen noch immer in schwerer Stille. Die Luft roch regensatt, ein wenig kühler war es geworden, doch es war noch immer zu heiß. Eine tropische Schwüle lag über der Stadt.
Gina war schon daheim. Sie stand in seiner Küche, massakrierte eine Salatgurke mit dem schweren Gemüsemesser und erweckte dabei den Eindruck, am liebsten alles kurz und klein schlagen zu wollen.
»Hallo, Liebes.«
»Grüß dich.« Sie unterbrach das Massaker für einen Augenblick, ließ sich von ihm umarmen und gab ihm einen flüchtigen Kuss. Er sog ihren Duft ein, fühlte die Anspannung ihrer Muskeln und ein leichtes Beben unter der Haut. Gina stand unter Strom. »Was ist denn los?«
»Ich mache Hacksalat.« Sie griff nach der Paprikaschote, die neben Salatherzen, Tomaten und Schafskäse auf der Arbeitsfläche lag. »Das passende Essen zum Tag«, fügte sie hinzu und ließ das Messer niedersausen.
Ihrer war offenbar nicht besser gewesen als seiner. »Was ist denn schiefgelaufen?«
»Schiefgelaufen?« Unwillig schüttelte sie den Kopf, dass die dunklen Strähnen flogen. »Gar nichts. Ich habe den Fall gelöst. Ich habe den Tankstellenmörder.« In einem regelrechten Stakkato knallte die schwere Klinge auf Paprikahälften, hackte sie in winzige Stücke. »Seine DNA pappt in rauen Mengen am Klebeband und der Plastiktüte.« Sie griff nach den Paprikawürfeln und pfefferte sie in die Salatschüssel.
Offenbar war es besser, ihr nicht zu gratulieren. Etwas musste grandios danebengegangen sein. »Ist er euch etwa entkommen? Oder hat er Selbstmord begangen?«
»Selbstmord? Gute Idee. Das sollte ich ihm vielleicht mal nahelegen.« Gina warf das Messer aufs Brett und wischte sich die Hände am Geschirrtuch ab. »Du wirst es nicht glauben. Er hat nichts zu befürchten. Unser grandioses Rechtssystem muss ihn laufen lassen.«
Dafür konnte es nur einen Grund geben. »Du meinst …«
»Ja. Genau. Dieses karrieregeile Arschloch von Staatsanwalt hat damals den Richtigen angeklagt, mit so gut wie nichts in der Hand. In dubio pro reo. Freispruch zweiter Klasse. Aber ist jetzt ja egal. Scheißegal. Freispruch ist Freispruch. Das Urteil ist seit Jahrzehnten rechtskräftig. Ich kriege den nicht noch einmal vor den Kadi. Strafklageverbrauch nennt sich das. Das macht mich so wütend. Wo leben wir denn? Die Errungenschaften der modernen Kriminaltechnik scheinen an unserer Rechtsprechung total vorübergegangen zu sein. Es ist ja gut und schön, dass man jemanden nicht zweimal wegen desselben Verbrechens anklagen kann. Das hat seine Gründe, und das ist gut so. Sonst würde ein Verdächtiger ja niemals wieder seines Lebens froh, wenn man ihn ständig wegen derselben Sache vor den Kadi zerren könnte. Aber für Altfälle, bei denen damals keine DNA-Analysen möglich waren, darf das einfach nicht gelten. Da muss eine Regelung her.«
»Soweit ich weiß, wird daran gearbeitet.«
»Ja, ist mir auch bekannt. Aber das gilt dann für die Zukunft. Axel Schulz bekomme ich damit nicht mehr vor Gericht. Er wird sich niemals für den Mord an Alicia Ehlers verantworten
Weitere Kostenlose Bücher