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Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)

Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)

Titel: Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Löhnig
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lässt uns unsere Arbeit machen.«
    Irgendetwas fehlte. Die Unruhe verstärkte sich, bis ihm klarwurde, woran es lag. Eine Art Distanz zur Tat, zum Opfer. Er hatte die Leiche des Jungen nicht gesehen.
    Kurzentschlossen fuhr Dühnfort in die Stadt zurück, tankte unterwegs und kaufte sich bei dieser Gelegenheit eine Tafel Zartbitterschokolade, die er zur Hälfte gegessen hatte, als er die Schranke zum Parkplatz der Innenstadtkliniken passierte und vor dem Institut für Rechtsmedizin der Universität München hielt.
    Eine Gluthitze schlug ihm entgegen, als er ausstieg. Bis er den Eingang des Instituts erreicht hatte, klebte das Poloshirt an seiner Haut. Er mochte derartige Temperaturen nicht. Allein die Vorstellung eines Urlaubs in der Karibik oder in Afrika, auf den griechischen Inseln oder im Süden Italiens trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Er liebte das gemäßigte Golfstromklima, einen steten auflandigen Wind und ab und an einen richtig schönen Regenschauer.
    Hinter den mehr als hundert Jahre alten Mauern des Instituts empfing ihn angenehme Kühle. Zügig steuerte er das Büro von Dr. Weidenbach an. Falls sie dort nicht war, würde er sein Glück im Sektionssaal versuchen. Doch auf sein Klopfen erklang ein »Herein«. Sie saß an ihrem Schreibtisch, über die Tastatur ihres PC gebeugt, und blickte auf, als er eintrat. Dabei schob sie die silbergefasste Brille ins Haar, durch das sich erste graue Strähnen zogen.
    »Ach, Herr Dühnfort. Ich hab mir schon gedacht, dass Sie heute noch hier auftauchen. Der Notarzt hat Ihnen den Toten ja weggeschnappt.«
    »Und meine Geduld reicht nicht bis morgen.«
    »Eben.« Sie schob den Stuhl zurück. »Eine willkommene Entschuldigung, mich ein wenig vor der Schreibarbeit zu drücken. Ein paar Minuten kann das warten.«
    Er folgte ihr über den Flur in den Vorraum des Sektionssaals, in dem es nach Tod und Desinfektionsmittel roch. Durch ein offenes Fenster wehte Rosenduft. Eine irritierende Mischung. Sie passierten eine Verbindungstür und erreichten den Kühlraum. Schmale Oberlichter ließen nur wenig Licht herein. Flackernd ging das Neonlicht an. Kaum wahrnehmbar stieg Dühnfort Verwesungsgeruch in die Nase. Die Tür zum Kühlfach mit der Nummer elf quietschte, als Ursula Weidenbach sie öffnete, die Bahre mit dem Leichnam herauszog und auf einen Rollwagen gleiten ließ, den sie in die Raummitte unter das kalte Licht der Neonröhren schob.
    »Ein hübscher Mann, ein richtiger Adonis.« Sie zog den Reißverschluss des Leichensacks bis zu den Hüften auf, breitete die Teile auseinander und betrachtete das marmorweiße Antlitz mit einem Blick des Bedauerns. »Und nun hat er ein Loch im Kopf, genauer gesagt zwei. Eine imposante Austrittswunde.« Sie zog die Stirn kraus. »Was für eine Verschwendung. Ewig schade.« Aus dem weißen Kittel holte sie eine Packung Zigaretten. »Ich lasse Sie fünf Minuten mit ihm allein und geh solange rauchen.«
    Dühnfort sah ihr nach, bis die Tür sich hinter ihr schloss. Dann wandte er sich den sterblichen Überresten von Daniel Ohlsberg zu. Das mittellange Haar hatte jemand zurückgestrichen. Die dunklen Locken kringelten sich auf der hellgrauen Unterlage. Einige Strähnen waren starr von getrocknetem Blut. Die blutverkrustete Einschusslücke klaffte knapp über der rechten Braue. Blutspuren zogen sich von der Stirn über die rechte Gesichtshälfte bis zum Hals. Abstreifring und Schürfsaum waren gut zu erkennen. Dühnfort schätzte, dass der Junge aus etwa drei Metern Entfernung erschossen worden war. Von Angesicht zu Angesicht. Die Zeugin hatte keinen Streit gehört, kein Geschrei, keine hitzigen Worte. Weniger als eine Minute war zwischen Betreten der Baustelle und dem Schuss vergangen. Jemand hatte gewartet, den Jungen in einen Hinterhalt gelockt und kaltblütig abgeknallt. Keine Tat im Affekt, keine überbordenden Emotionen. Ein eiskalt geplanter Mord. Warum? Ging es wirklich um schnell verdientes Geld, um den Handel mit bunten Träumen? Außer bei der Leiche war nirgendwo Ecstasy gefunden worden. Das war mehr als seltsam. Und dann hatte er eine Vermutung. Er rief die PI 28 an, fragte nach den Kollegen, die als Erste am Tatort gewesen waren, und wurde mit Polizeiobermeister Wolfgang Seidel verbunden. Nachdem er sich als zuständiger Ermittler im Mordfall Ohlsberg vorgestellt hatte, kam er auf den Grund seines Anrufs zu sprechen. Er ließ sich die Lage der Leiche beschreiben und wollte wissen, in welcher Hosentasche die vier Fünfziger und

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