Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
die Tabletten gesteckt hatten.
»Hm. Lassen Sie mich überlegen.« Einen Augenblick war Seidel still. »In der linken. Ist das wichtig?«
Wie er vermutet hatte. »Ich denke schon. Ohlsberg lag auf dem Rücken?«
»Richtig.«
»Und die Geldbörse war wo?«
»In der rechten Gesäßtasche.«
»Danke.« Dühnfort verabschiedete sich und steckte das Handy ein.
Ein Rechtshänder hätte Scheine und Tütchen mit hoher Wahrscheinlichkeit in die rechte Tasche geschoben. Es war daher nicht auszuschließen, dass der Täter Daniel beides zugesteckt hatte.
Dühnfort betrachtete das marmorweiße Gesicht des Toten. Trotz der massiven Schädelverletzung war Daniels entrückte Schönheit noch sichtbar. Vielleicht noch für eine Stunde oder zwei. Die Kühlung verzögerte den einsetzenden Zerfall nur.
Die Tür öffnete sich. Ursula Weidenbach kam herein und mit ihr ein Hauch von Zigarettenqualm. »Zeit, Abschied zu nehmen. Ihnen läuft er ja nicht davon. Mir bei dieser Hitze schon.«
13
Es war beinahe sieben Uhr, als Dühnfort seinen Wagen in der Pestalozzistraße parkte, die Post aus dem Briefkasten nahm und die drei Etagen zu seiner Wohnung hochstieg.
Als er die Tür aufsperrte, machte er sich darauf gefasst, ein Trümmerfeld von Ziegel- und Putzbrocken zu betreten. Doch seine Erwartung wurde nicht erfüllt. Es roch nach feuchtem Mörtel und Zement. Der Durchbruch war gemacht, der Boden gekehrt und das Werkzeug in einer schwarzen Plastikwanne verstaut. Verwundert sah er sich um. Offenbar hatte er Vorurteile. Ist sich alles picobello heute Abend. Stanislaw hatte Wort gehalten. Der Verputz war noch nicht getrocknet. Türstock und Türblatt lehnten an der Wand. Daran klebte ein Zettel. Putz mus trocken. Komme ich morgen, mache fertig. Stani.
Dühnfort legte die Post auf die Ablage und nutzte den Durchbruch, um in Ginas Wohnung zu spazieren. Abgeschliffener Dielenboden im Flur. Die Küche war noch unmöbliert. Er öffnete die Tür zum Balkon und sah hinüber zu seinem. Unwillkürlich stellte er sich vor, wie er auf ihn trat und Gina auf ihren. Lächelnd blickte sie zu ihm hinüber. Guten Morgen, Herr Nachbar.
Ihr Wohnzimmerfenster ging, wie seines, zum Alten Südfriedhof hinaus. Das Bad war nach dem Auszug des Vormieters saniert worden. Mattgraue Fliesen, eine weiße Eckbadewanne, Dusche und Waschtisch. Im Gegensatz zu seinem Schlafzimmer hatte ihres zwei Fenster. Eines zum Friedhof und eines zur Pestalozzistraße. Während er da so stand und hinunterblickte, breitete sich glückliche Zufriedenheit in ihm aus. Ab morgen würde Gina hier wohnen. So nah bei ihm. Mit ihm. Eine Weile spürte er diesem Gefühl nach, dann ging er in seine Wohnung, holte die Post von der Ablage und warf die Werbung in den Müll. Übrig blieb eine Postkarte seiner Mutter. Sie lebte schon seit über zwanzig Jahren mit ihrem Lebenspartner Georges in einem alten Herrenhaus im Elsass, in dem sie auch ihr Atelier hatte. Früher hatte sie Porträts gemalt. Sehr eigenwillige Porträts, denn sie malte nicht gefällig, sondern das, was sie hinter den Fassaden erspürte. Ihre Auftraggeber brauchten Mut und Selbstbewusstsein, sich ihrem Blick zu stellen. Doch im Lauf der Jahre hatte seine Mutter das Interesse an diesen Menschenerkundungen verloren und die Natur als Motiv entdeckt. Diese bannte sie auf gigantische Formate. Nicht die idyllische, sondern die gewalttätige Seite interessierte sie. In diesem Punkt waren sie sich wohl ähnlich.
Cher Tino, Georges ist krank. Die Prostata. Wir werden im September nach München kommen und einen Spezialisten aufsuchen. Vielleicht muss der Liebe sich auch operieren lassen. Bist du da? Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Mama.
Mama. Es berührte ihn. Er war den Kinderschuhen schon seit einer Ewigkeit entwachsen, doch noch immer war er ihr Kind. Umgehend griff er zum Telefon. Leider erreichte er nur den Anrufbeantworter und hinterließ die Nachricht, dass er sich nochmals melden würde. Er hatte kaum aufgelegt, als die Tür zu Ginas Wohnung geöffnet wurde. Mit dem Mobilteil in der Hand trat er in den Flur. Gina stand auf der anderen Seite des Durchbruchs und sah sich verblüfft um. »Ist nicht wahr, oder? Stanislaw hat Wort gehalten.« Ihre Stimme hallte in den leeren Räumen nach.
Er gab ihr einen Kuss. »Wie war dein Tag?«
»Staubig. So staubig, dass ich jetzt was trinken muss.«
Sie folgte ihm in die Küche und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Während er das Abendessen zubereitete, erzählte sie vom
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