Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Erkenntnisse. Was vom Schusskanal bestimmbar war, wies auf einen Täter hin, der etwa dieselbe Körpergröße hatte wie das Opfer, denn er verlief in einem minimal ansteigenden Winkel.
Ein relativer Nahschuss, aus etwa ein bis zwei Metern Distanz. Um aus dieser Entfernung zu treffen, brauchte man kein guter Schütze sein. Diesen Punkt mussten sie also revidieren.
Er verabschiedete sich und verließ mit Alois, der heute ungewöhnlich still war, das Institut. Er machte sich Sorgen um Simon. Vermutlich hatte er Kirstens Zusammenklappen deshalb nicht mit einer bissigen Bemerkung kommentiert, wie von Dühnfort insgeheim befürchtet. Egal was der Grund für diese ungewohnte Zurückhaltung war, er war dankbar, dass Alois die Klappe gehalten hatte. Kirsten hatte er eigentlich als ziemlich tough eingeschätzt, und es verwunderte ihn, dass sie den Anblick nicht ertragen hatte.
Ein Déjà-vu. Unwillkürlich fragte er sich, was sie wohl erlebt hatte, dass ihr Körper derart reagierte.
17
Es klopfte an Mikas Tür. Noch bevor sie etwas sagen konnte, trat ihre Mam ein, mit einem Tablett in der Hand. »Ich habe dir Frühstück gemacht. Obstsalat, Joghurt und Vitaminsaft. Du musst etwas essen.« Vorsichtig ließ sie sich auf der Bettkante nieder. Wie spät war es denn? Mika griff nach dem Handy, das neben Block und Kuli auf dem Teppich lag. Schon nach zehn. Mam sollte längst in der Firma sein.
Als ob sie ihre Gedanken gelesen hätte, erklärte Saskia, dass sie heute nicht unbedingt ins Unternehmen musste. »Ich kann hierbleiben. Wir könnten etwas Schönes unternehmen, um dich ein wenig abzulenken.«
»Shoppen vielleicht.«
»Ja, sicher. Wenn du magst. Du brauchst ohnehin für den Urlaub noch ein paar Sachen. Wir könnten die Maximilianstraße unsicher machen, im Bayerischen Hof einen Happen essen, uns anschließend bei Clarins im Day-Spa verwöhnen lassen, und dann könnten wir noch die Millennium -Triologie auf DVD kaufen. Die wolltest du doch haben.«
Stöhnend warf Mika sich auf die Seite und zog die Decke über den Kopf. Warum kriegte ihre Mam so gut wie nie einen ironischen Tonfall mit? Wann würde sie endlich lernen, dass es Trilogie hieß, nicht Triologie? Warum glaubte sie, Shoppen heile alle Wunden? Vor dem Urlaub graute ihr. Drei Wochen Seychellen mit Paps, Mam und Phillip. Für andere klang das wie ein Traum, für sie klang es nach Horror. Sie war von Mam nur noch genervt. Und das war schrecklich unfair. Denn Mam war wie immer. Nur sie, Mika, veränderte sich. Alles verrutschte, verschob sich. Paps sprach eigentlich nur übers Business. Das hatte er vorher auch schon getan. Doch sie ertrug es nicht mehr. Und ihr Bruderherz Phillip entwickelte sich täglich ein wenig mehr in Richtung arrogantes Arschloch. Das war ihre Familie, und mit der hielt sie es nicht drei Wochen auf derselben Insel aus. Unmöglich. Sie konnte nicht Urlaub machen, während Isa und Daniel tot waren.
Daniel! Wie konnte er nur tot sein? Warum? Er war ein lieber Kerl gewesen. Ihr Freund. Alle hatten ihn gemocht.
Vorsichtig wurde die Decke weggezogen. Mams Hand glitt über Mikas Haar. »Mäuschen, ich weiß, das ist eine schlimme Zeit für dich. Aber es hilft nicht, die Decke über den Kopf zu ziehen und sich im Kummer zu vergraben.«
Mika hätte schreien können. Doch sie beherrschte sich. Mam meinte es immer nur gut. Sie war einfach so. Mit einem Ruck setzte sie sich auf. »Geh ruhig ins Büro. Die brauchen dich dort, solange Paps in China ist. Ich komme schon klar. Lukas will einen Song für Isa mit mir aufnehmen. Ich bin also beschäftigt. Du musst dir keine Sorgen machen. Okay?«
Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Mam überzeugt hatte, in die Firma zu fahren, und sie endlich ging. Die Haustür schlug zu, der Range Rover wurde gestartet. Mika war erleichtert und fühlte sich gleichzeitig schäbig. Mam war immer für sie da und zog notfalls für ihre Kinder in die Schlacht. So wie damals im Kindergarten, als sie dafür gesorgt hatte, dass ein verhaltensauffälliger Junge, der dauernd schlägerte, in eine andere Einrichtung kam. Oder als sie den Ministerialbeauftragten ins Gymnasium geschickt hatte, weil der Mathelehrer unnachvollziehbare Noten gab. Diese Aktion war ihr echt peinlich gewesen. Allerdings hatten sich die anderen Eltern bei Mam bedankt. Doch sie war kein Kind mehr. Mam konnte nicht ständig Händchen halten. Mit ihren Problemen, Sorgen und Ängsten musste sie langsam mal allein klarkommen. Und das wollte sie auch. Deshalb
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