Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
bringen. Bei uns lässt man kranke Kinder nicht als Ausrede gelten. Und du bist ja nicht mal alleinerziehend. Deine Ex betreut den Jungen. Also mach deinen Job, anstatt beleidigt zu sein, wenn andere dir helfen. Noch mal tue ich das nicht.«
»Ach? Helfen nennst du das?«
Dühnfort verstand nicht, was Kirsten darauf erwiderte. Vermutlich war das gut so, sonst hätte er die beiden vor allen unterbrochen. So ging das nicht weiter. Er musste sich etwas einfallen lassen, um Ruhe ins Team zu bringen. Vielleicht ein gemeinsames Essen oder Grillen, draußen am Starnberger See, bei Schorschs Segelschule, wo sein Boot lag. Vielleicht auch eine gemeinsame Segeltour. Etwas in dieser Art jedenfalls.
Dühnfort trat an den Sektionstisch. Alois gesellte sich zu ihm, während Kirsten auf die andere Seite wechselte, zu Ursula Weidenbach und Christoph Leyenfels, dem für diese Ermittlung zuständigen Staatsanwalt. »Sie müssen Kirsten Tessmann sein.« Weidenbach zog einen der Gummihandschuhe aus und reichte Kirsten die Hand. »Hoffentlich nicht Ihre erste Leiche.«
»Ich habe zwei Jahre bei der Mordkommission in Würzburg gearbeitet. Man gewöhnt sich an den Anblick.«
Leyenfels war ein großer Mann, der alle im Saal überragte. Er sah Kirsten an wie eine Erscheinung. Dühnfort stellte seine neue Mitarbeiterin vor. »Sehr erfreut«, meinte Leyenfels lächelnd und sah auch ganz so aus.
»Na, dann wollen wir mal.« Ursula Weidenbach wandte sich der Leiche zu. »Keine offenen Fragen. Bisher jedenfalls. Hier haben wir die Einschusslücke.« Ein behandschuhter Finger deutete auf das Loch in der rechten Stirnhälfte. »Hier den Schmauchhof und Pulvereinsprengungen, also ein relativer Nahschuss.« Sie zog eine beleuchtete Teleskoplupe über die Stirn und sah fragend in die Runde. Alois rührte sich nicht. Kirsten studierte die Kacheln an der Wand. Also beugte Dühnfort sich über die Lupe. Tatsächlich. Jetzt, wo das Blut abgewaschen war, sah er die dunklen Sprenkel. Pulver hatte sich in die Haut eingebrannt. Überrascht blickte Dühnfort auf. »Daniel wurde also aus nächster Nähe erschossen. Der Täter muss unmittelbar vor ihm gestanden haben.«
Weidenbach schob die Lupe zurück. »Ein, maximal zwei Meter Abstand. Der Schusskanal lässt sich nicht exakt bestimmen. Wie Sie ja schon gesehen haben, hat das einschlagende Projektil eine Druckwirkung erzeugt, die den Inhalt der Schädelhöhle auseinandertrieb, den hinteren Teil des Schädels wegsprengte und die Hirnmasse nach außen schleuderte. Wie der Notarzt auf die Idee gekommen ist, zu reanimieren, das würde ich ihn gerne mal fragen. Der Junge war sofort tot.« Mit routiniertem Griff drehte sie den Kopf.
Dühnfort sah gerade noch, wie Kirstens Augen sich verdrehten, ihr Körper zusammensackte und auf den Boden knallte.
Leyenfels fuhr herum und ging vor Kirsten in die Hocke. »Wohl doch nicht an den Anblick gewöhnt.« Vorsichtig schlug er auf ihre Wange. »Frau Tessmann. Aufwachen.«
»Beine hoch.« Weidenbach streifte die Handschuhe ab und hob Kirstens Beine an, noch bevor Dühnfort auf die andere Seite des Tisches gewechselt war, um ebenfalls zu helfen. Als er dort ankam, schlug Kirsten die Augen bereits wieder auf. Irritiert sah sie sich um und wollte aufstehen.
»Immer langsam.« Leyenfels half ihr hoch.
»Geht es wieder?«, fragte Dühnfort.
Kirsten nickte benommen. »War nur … ein Déjà-vu.«
»Wollen Sie an die frische Luft?« Leyenfels stützte Kirsten noch immer. »Ich begleite Sie hinaus. Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen?«
Unsicher sah sie in die Runde.
»Das ist eine gute Idee«, sagte Dühnfort. »Und wenn du dich nicht wohl fühlst, dann fahr heim und lege dich hin.«
»Ist nicht nötig.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Das ist uns allen schon mal passiert«, meinte Leyenfels und begleitete Kirsten hinaus.
Einen Moment sah Dühnfort den beiden noch nach, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Sektionstisch zu. Alois stand am Kopfende und starrte auf die Austrittswunde mit der herausgequollenen Hirnmasse. In diesem Moment erinnerte er ihn an einen kleinen Jungen, der eine Mutprobe bestehen wollte. Alois war in Ordnung. Auch wenn er seiner Arbeit manchmal nicht mit der Sorgfalt nachging, die Dühnfort wichtig war. Wenn man ihn brauchte, war er da.
Ursula Weidenbach trat wieder an den Tisch. »Dann machen wir mal weiter.«
Der Verlauf der Obduktion brachte keine grundlegend neuen
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