Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Arbeit ab. Was gibt es denn?«
Aus der Fotomappe holte Dühnfort die Aufnahmen. »Mir sind diese Schleifspuren aufgefallen. Sie ziehen sich vom Treppenvorplatz an der Lageposition der Leiche vorbei bis zum Ausgang Petunienweg durch den Zementstaub.«
»Die Spur stammt von einem Sack mit Fugenmörtel.« Buchholz nahm ein Foto aus der Akte und reichte es Dühnfort.
Der Sack lehnte neben einer schwarzen Kunststoffwanne an der Wand. Doch zunächst musste er am Treppenaufgang gestanden haben.
»Wenn du meinst, dass der Täter die Spuren seiner Sohlen damit verwischt hat, liegst du falsch.« Buchholz deutete auf eine Aufnahme, auf der Sohlenabdrücke zu erkennen waren, die sich in der Schleifspur befanden. »Die stammen von den Kollegen und die vom Täter.« Er wies auf die Spurennummer elf, einen verwischten Sohlenabdruck. In der hinteren Rundung fehlte ein Stück eines Profilstollens.
»Wenn ein Arbeiter den Sack durch den Raum gezogen hat, dann war er an diesem Tag der Letzte auf der Baustelle und hat unmittelbar danach Feierabend gemacht. Nur so lässt es sich erklären, dass keine Spuren der Arbeiter in dieser Wischspur sind.«
Buchholz sah auf. »Spricht irgendwas dagegen, dass es so war?«
Eigentlich sprach nichts dagegen.
»Wenn du glaubst, der Täter hat damit seine Spuren unkenntlich gemacht, dann war er nicht sehr erfolgreich.« Buchholz deutete wieder auf die Spurennummer elf. »Oben hat er ganz vergessen, klar Schiff zu machen, und draußen ist er in den Baz getreten und hat uns einen erstklassigen Abdruck hinterlassen.«
Da war sie wieder, diese Diskrepanz. Vorsicht und Leichtsinn Hand in Hand. Oben Zigarettenkippen mit DNA. Unten an der Leiche, wo DNA zu erwarten wäre, war nichts. Spuren der Sohlen oben und ein sehr präziser Abdruck vor der Baustelle. Jemand war leichtsinnig gewesen. Wie passte das mit Dühnforts Vermutung zusammen, der Täter habe mit dem Zementsack seine Spuren verwischt?
Und dann fiel ihm die Bemerkung ein, die in seinem Unterbewusstsein arbeitete. Schuhgröße fünfundvierzig oder sechsundvierzig. Das ist ungewöhnlich bei dieser Körpergröße. Kirsten hatte das gesagt. Entweder irrte sich die Weidenbach, was die Größe des Täters betraf, oder es waren zwei gewesen. Ein Großer mit passender Schuhgröße, der leichtsinnig war, und ein Umsichtiger, von dem es keine Spuren gab und der etwa eins fünfundsiebzig groß sein musste.
38
Lukas bewohnte die Einliegerwohnung im Haus seiner Eltern. In einem der beiden Zimmer lebte er, im anderen widmete er sich seiner Leidenschaft, der Musik. Computer, Mischanlage, Boxen und Mikros drängten sich in dem kleinen Raum. Mika saß verkehrt herum auf einem Drehstuhl, die Brust an die Rückenlehne gedrückt. Die Rollläden waren unten und alle Lichter an. Lukas arbeitete am liebsten im Dunkeln. Über Schieberegler gebeugt saß er am Mischpult, die Kopfhörer über die Ohren gestülpt, und machte ein letztes Feintuning an Isas Song. Seine schmalen Finger justierten die Regler im Zehntelmillimeterbereich, dabei summte er die Melodie, die Mika noch immer mit Trauer und Wehmut erfüllte.
Das Gespräch von gestern ging ihr wieder durch den Kopf. Phillip und Daniel hatten Streit gehabt und sich beinahe geprügelt. Weshalb? Lukas wusste es nicht. Er hatte die beiden zufällig gesehen, als er abends mit dem Familienhund Gassi gegangen war, da seine Mutter keine Zeit hatte. Es war schon beinahe dunkel gewesen, als er sich vom Feld kommend dem alten Haus näherte, das Daniels Oma gehört hatte. Zwei schemenhafte Gestalten auf dem Weg davor. Laute Stimmen. Worum es ging, hatte Lukas nicht verstanden. Ein Streit, gefolgt von einer Rangelei. Erst als er näher kam, hatte er die beiden erkannt. Daniel und Phillip. Im selben Moment war er von ihnen entdeckt worden, und sie hatten die Situation als harmlosen Spaß abgetan. Doch dafür war der Tonfall zu ernst gewesen. Die beiden hatten echten Zoff gehabt. Und das zwei Tage, bevor Daniel … Es konnte nicht sein, dass Phillip etwas mit dem Mord zu tun hatte. Das war ein geradezu absurder Gedanke. Sicher hatte der Streit einen harmlosen Grund, ließ sich erklären. Doch weshalb hatten sie ihn dann als Scherz dargestellt? Was hatten die beiden zu verbergen?
Lukas zog den Kopfhörer ab. »Fertig. Magst du die neue Fassung hören?«
»Klar.«
Es waren nur Nuancen, die Lukas verändert hatte, doch sie gaben dem Song mehr Tiefe, mehr Emotionalität. Er war so sensibel, und er besaß die Fähigkeit, seine
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