Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Gefühle in Worte und Musik zu fassen. Und darum beneidete Mika ihn. Als der letzte Ton verklungen war, schwieg sie einen Moment, ließ ihn noch nachhallen. »Schön. Total traurig-schön.«
Lukas drehte sich auf seinem Stuhl in ihre Richtung. »Ich bin mir nicht ganz sicher: Meinst du nicht, dass es jetzt vielleicht ein wenig kitschig ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist einfach nur schön.« An der Wohnungstür klingelte es. »Vermutlich die Post.« Lukas verschwand aus dem Tonstudio und ließ die Tür offen. Mika erkannte die Stimme. Es war die des Kommissars. Was wollte er? Sie ging in den Flur.
»Schön, dass ich Sie hier treffe. Das erspart mir einen Weg.« So begrüßte Dühnfort sie.
»Geht es um Daniel?« Blöde Frage. Weshalb sollte er sonst hier sein?
»Wir haben das hier im Haus seiner Oma gefunden.« Er zeigte ihr ein Tütchen voller bunter Pillen. Mika starrte darauf und konnte es nicht glauben. Es war, als ob ein Eimer in ihr umkippte, sich eine schmutzig graue Brühe in ihrem Innersten ergoss und sie besudelte. Enttäuschung breitete sich in ihr aus wie eine Drecklache. Sie hatte geglaubt, ihn zu kennen, und hätte die Hand für ihn ins Feuer gelegt. Und nun hatte Daniel doch gedealt. Und Mam hatte recht.
Im Häuschen seiner Oma. Mika warf Lukas einen inständigen Blick zu. Eine wortlose Verständigung. Sag nichts. Bitte! Phillip kann damit nichts zu tun haben. Lass ihn außen vor. Lass mich erst mit ihm reden.
Dühnfort wartete auf eine Reaktion. »Daniel … Er hat also doch …?«, stammelte sie. »Das wusste ich nicht. Ich verstehe es auch nicht. Warum hat er das getan?«
Dühnfort musterte sie, und dieser Blick ging ihr durch und durch. Denn sie kannte die Antwort. Ihretwegen. Er hatte ihretwegen wieder damit begonnen. Wie hatte sie nur so blind sein können? Warum hatte sie seinen Beteuerungen geglaubt? Die Geschenke, die Einladungen in Bars und Clubs. Er hatte das immer heruntergespielt. Das sei nicht so teuer und er könnte sich das schon leisten. Auf diese Art also. Wenn er deswegen ermordet worden war … dann war sie schuld. Ihre Knie wurden ganz weich. Sie musste sich an die Wand lehnen, sonst würde sie auf den Boden fallen, wie eine Marionette, deren Fäden man durchschnitt.
»Es ging wohl um einen Oldtimer, den er sich kaufen und instand setzen wollte«, sagte Dühnfort. »Wissen Sie, woher er das bezogen hat, oder haben Sie eine Vermutung?« Wieder hielt Dühnfort das Tütchen hoch.
Während Mika durchatmete und ihre Knie sich langsam wieder standfest anfühlten, antwortete Lukas. »Wir wussten nicht, dass er dealte. Wie sollten wir also wissen, wer ihn mit dem Zeug versorgt hat? Am ehesten wohl die Freunde von damals.«
Dühnfort verneinte das. »Die beiden haben wir schon überprüft. Sie scheiden aus.«
Er hatte noch eine Reihe von Fragen. Mika konnte keine beantworten. Sie hatte von all dem nichts gewusst. Diesen Teil seines Lebens hatte Daniel vor ihr verborgen. Sie war mit ihm nie in der Kultfabrik gewesen, und das Van Gogh war ganz und gar nicht ihr Ding. Zu schickimicki. Sich Daniel in dieser Umgebung vorzustellen, gelang ihr nicht. Er hatte ein Doppelleben geführt. Warum hatte er nicht mit ihr darüber gesprochen? Warum hatte er das riskiert? Eine erneute Verurteilung, und er wäre im Knast gelandet.
Nachdem Dühnfort gegangen war, verabschiedete sich Mika eilig von Lukas. Sie musste mit Phillip reden und traf ihn daheim im Hausflur. Er wollte gerade los. »Tschü, Schwesterlein. Man sieht sich.«
Sie stellte sich ihm in den Weg. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass Daniel wieder damit begonnen hat? Warum hast du ihn nicht davon abgehalten? Hängst du da am Ende mit drin?«
Phillip klimperte mit dem Schlüsselbund. »Du spinnst.«
»Lukas hat euch gesehen. Schon vergessen?«
»Ja? Und?«
»Ihr habt euch fast geprügelt. Vor dem Haus seiner Oma. Dort hatte er den Stoff versteckt. Zufall, oder? Worum ging es bei dem Streit? Habt ihr euch vielleicht wegen dieses verdammten Ecstasys gefetzt?«
»Worum es ging? Willst du das wirklich wissen? Also gut. Fasten your seatbelt.« Seine Stimme klang bedrohlich leise, der Schlüssel landete in der Faust. »Mit mir hat das nichts zu tun. Einzig und allein mit dir dummen Schnepfe. Für dich hat er das getan. Er hat gedacht, dass du nicht bei ihm bleibst, wenn er dir nichts zu bieten hat. Letzte Woche ist er mir nachts in der Kultfabrik über den Weg gelaufen. Zufällig habe ich einen seiner Deals mitbekommen.
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