Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Dreck weg, wusch seine Unterhosen, kochte für ihn, bettelte um ein Zeichen von Liebe, und er benutzte sie als Sündenbock, anstatt nach Sascha zu suchen, so wie sie es getan hatte. Niemals hätte Isa sich wegen eines Streits um Noten umgebracht. Und das wusste Stefan!
Mein armer Kopf ist mir verrückt, mein armer Sinn ist mir zerstückt. Sie erhob sich und stellte die Gläser auf das Tablett. Das Leben musste weitergehen. Irgendwie. Auch wenn sie nicht wusste, wie.
Als sie das Tablett ins Haus tragen wollte, kehrte Stefan in den Garten zurück. Er hatte sich umgezogen und trug die Arbeitsschuhe, die kurze Arbeitshose und sonst nichts. Auf Schultern und Rücken klebten Verbände, mit denen der Arzt die Blasen versorgt hatte. Ein kühles Lächeln traf sie. Er griff nach der Schaufel. Sein hoher Gang, seine edle Gestalt, seines Mundes Lächeln, seiner Augen Gewalt.
Eine nie gekannte Wut kochte plötzlich in Marlis hoch. Gut, sollte er doch weiter den Märtyrer mimen! Sollte er sich die Haut vom Leib brennen lassen und das Fleisch von den Händen fetzen. Von ihr aus konnte er dieses Scheißloch buddeln, so tief er wollte, am besten bis zum Mittelpunkt der Erde, bis er auf glühendes Magma stieß. Von ihr aus konnte er sich hineinstürzen. Sollte er doch samt seiner stummen Anklage in Sekundenbruchteilen verdampfen. Plötzlich hasste sie ihn aus tiefstem Herzen.
45
Von Mikas Mutter erfuhr Dühnfort, dass Mika zum Friedhof wollte, an Isas Grab. Sie beschrieb ihm, wo es zu finden war. Kurz darauf ging er über kiesige Wege, vorbei an Hecken, welche die Gräberfelder trennten. Weiter hinten, am Rande des Areals, entdeckte er Mika. Sie saß im Schatten eines Baums im Gras und schien sich mit jemandem zu unterhalten. Doch sie war allein. Sie sprach mit ihrer besten Freundin. Dühnfort wusste nicht, ob das gut war. Mika schien sich mehr den Toten zuzuwenden als den Lebenden.
Sie bemerkte sein Kommen und verstummte.
»Störe ich?«
»Wenn ich jetzt ehrlich bin und ja sage, gehen Sie dann wieder?« Wie sie aufstand, das wirkte beinahe schwerelos. Mit der Hand wischte sie Gras und Blätter vom Kleid und strich die Haare über die Schulter. Ihre Körpersprache stand im Gegensatz zu ihren Worten, also lächelte er. »Es dauert nicht lange. Es geht um Sascha.«
»Um Sascha?«
Zum dritten Mal an diesem Tag erklärte er seine Vermutung, Daniel habe gewusst, wer sich hinter Sascha verbarg. Mika fiel aus allen Wolken. »Never. Das können Sie vergessen. Wenn er auch nur eine Idee gehabt hätte, dann hätte er mir das gesagt.« Dühnfort war sich da nicht so sicher. Falls Daniel eine Erpressung geplant hatte, war es klüger gewesen, dieses Wissen für sich zu behalten.
Seine Einschätzung, dass Sascha sich an Isa rächen wollte und die Mobbingaktion geplant war, teilte Mika allerdings sofort. Sie war zum selben Schluss gekommen und erzählte, wie sie Isas Facebook-Account gehackt hatte. Sie nannte ihm die Zugangsdaten, die er sich notierte. So konnte er selbst lesen, was dort vorgegangen war, denn die persönlichen Nachrichten, die Isa mit Sascha getauscht hatte, waren nicht gelöscht, nur die meisten der bösartigen Kommentare. Sascha war seit Isas Tod nicht mehr auf Facebook aktiv gewesen. »Ziel erreicht und abgetaucht«, sagte Mika bitter.
Ein Gefühl von Widerstand regte sich in Dühnfort. Diese Reaktion konnte auch einen anderen Grund haben. »Vielleicht wollte er Isa nur bloßstellen und hat sich daran geweidet, wie sich alle über sie lustig machten, Häme und Schadenfreude über ihr auskippten und ihm so Befriedigung verschafften und sein Rachebedürfnis stillten. Vielleicht hat er keinen Gedanken daran verschwendet, wie sehr Isa verletzt wurde, wie sie darauf reagieren würde und dass sie eine derart radikale Konsequenz zog und nicht mehr leben wollte. Dann wäre sein Abtauchen ein Zeichen von Entsetzen und Scham darüber, was er angerichtet hat.«
»Sie meinen, Isa ist tot, weil einer ganz egoistisch sich selbst und seine verletzten Gefühle zum Mittelpunkt des Universums erklärt hat?«
»Es erscheint mir glaubhafter als die andere Möglichkeit. Die würde nämlich bedeuten, dass er Isa absichtlich in den Tod getrieben hat.« Und das wollte Dühnfort sich lieber nicht vorstellen. Obwohl er es natürlich nicht ausschließen konnte. »Sascha muss Isa gehasst haben. Hatte Isa mit jemandem Streit, oder hat sie die Gefühle eines anderen verletzt? Vielleicht die eines Jungen, den sie zurückgewiesen hat. Oder die
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