Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
eines Mädchens, durch eine Beschimpfung oder vielleicht auch nur durch eine unbedachte Äußerung im Zank.«
»Darüber haben wir uns auch schon den Kopf zerbrochen.«
»Wir?«
»Lukas und ich. Isa hatte keinen Streit, außer mit mir, Anfang des Jahres. Das war schon heftig, aber wir haben uns schnell wieder versöhnt. Lukas hat das eingefädelt. Das war so lieb von ihm.« Plötzlich standen Mika die Tränen in den Augen. »Ich bin so froh, dass wir das beigelegt haben … dass das jetzt nicht zwischen uns steht.«
»Es ging um das Video, oder? Isas Mutter hat mir davon erzählt.«
»O Gott. Das war so was von peinlich. Ich bin bloß froh, dass meine Eltern das nicht gesehen haben.« Trotz der glänzenden Augen huschte ein verlegenes Lächeln über ihr Gesicht.
»Wie kam es dazu?«
»Sie meinen, dass ich so betrunken war?«
Wie es dazu gekommen war, dass Mika die Hemmungen verlor und ihr T-Shirt lüpfte , wie Marlis Schäfer das genannt hatte, das konnte er sich sehr gut vorstellen. »Mich interessiert der Streit zwischen Isa und Ihnen. Er muss schlimm gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur um verweigerte Hilfe bei einem Französisch-Aufsatz ging.«
»Hat Marlis das gesagt?«
»Stimmt es nicht?«
»Es ging nicht um Hilfe bei einem Aufsatz.« Mika schüttelte den Kopf. »Isa war in Französisch grottenschlecht. Sie hätte das Fach besser ablegen sollen. Dass wir beide auf eine Privatschule gingen, wissen Sie?«
Nein, das wusste Dühnfort nicht. Er war aber gespannt, was kommen würde.
»Isas Vater spendet immer ordentlich, wenn für irgendetwas Geld gebraucht wird. Instrumente, Kostüme für die Theatergruppe und so. Deshalb war die Schulleitung immer geneigt, Isa eine kleine Sonderbehandlung zukommen zu lassen. Als sich im Januar abzeichnete, dass sie wegen Französisch gar nicht erst zum Abi zugelassen würde, hat Marlis mit dem Rektor geredet, und schwupps durfte die ganze Klasse einen Aufsatz als Hausarbeit schreiben, der benotet wurde. Eine Chance für Isa, die entscheidenden Punkte zu ergattern, und für alle anderen zusätzliche Arbeit. Sie wollte, dass ich diesen Aufsatz für sie schreibe. Ich hatte keine Zeit. Ich musste mich ja auch aufs Abi vorbereiten. Ich wollte ihr helfen, das Ding aber nicht komplett schreiben. Das wäre sowieso aufgeflogen. Sie war stinksauer und hat mir vorgeworfen, sie hängenzulassen und dass ich mich sowieso immer als Bessere fühlen und sie jetzt absichtlich reinrasseln lassen würde, damit ich mich weiter überlegen fühlen kann. Und so weiter und so weiter. Sie hat sich da echt hineingesteigert. Wenn sie schwarzgesehen hat, dann gleich richtig rabenschwarz. Wenn sie sauer auf jemanden war, dann stinksauer, und das musste dann irgendwo raus. In meinem Fall war es das Handyvideo. Und damit ist sie echt zu weit gegangen. Normalerweise habe ich ihr schnell verziehen. Sie war nämlich total lieb und lustig, eigentlich konnte ich nie lange auf sie böse sein. Doch diesmal war es anders. Mehr als zwei Wochen lang herrschte Funkstille. Lukas hat uns dann beide zu einem Fest bei seiner Cousine eingeladen, ohne dass wir wussten, dass die andere auch kommt, sonst wäre nämlich keine von uns mitgegangen. Und da haben wir uns dann ausgesprochen und sind uns heulend in die Arme gefallen.«
Mika und Isa hatten sich wieder versöhnt, das peinliche Video war gelöscht worden. Kein Grund für eine Mobbingattacke.
Dühnfort verabschiedete sich, ließ Mika am Grab ihrer Freundin allein und fuhr zurück.
Während seiner Schulzeit hatte es natürlich auch Streit unter Freunden gegeben. Man stritt sich, man verletzte sich, meistens verbal, manchmal körperlich, und wenn alles gutging und die Freundschaft das aushielt, dann versöhnte man sich wieder. Genau wie heute. Doch zu seiner Zeit war das im kleinen Kreis geschehen, unter den Augen der Klassenkameraden und Freunde, manchmal auch im Blickpunkt der Familie, doch nie in der breiten Öffentlichkeit.
Facebook und YouTube waren zum Pranger geworden, an den jeder jeden stellen konnte, ganz willkürlich, und nicht das Dorf sah zu, sondern die ganze Welt.
46
»Das würde ich nicht tun. Oder wenigstens mit unterdrückter Nummer. Was versprichst du dir überhaupt davon?«
Nach dem Gespräch mit Dühnfort war Mika in die Stadt gefahren, um sich mit Lukas zu treffen. Nun saß sie neben ihm auf der Sandbank der Praterinsel, gleich hinter dem Alpinen Museum, und hielt die Füße ins Wasser. Es war einer ihrer
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