Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Hacke und Schaufel lehnten daran.
Marlis Schäfer kehrte zurück und reichte ihm ein beschlagenes Glas. Eiswürfel und eine Zitronenscheibe schwammen im perlenden Wasser.
»Ihr Mann ist nicht da?«
Sie trank einen Schluck, bevor sie antwortete. »Ich habe ihn zum Arzt geschickt. Seit Tagen buddelt er an diesem verdammten Teich herum. Ohne Kopfbedeckung, ohne T-Shirt und heute auch ohne Sonnencreme. Er hat sich einen schlimmen Sonnenbrand geholt. Das muss behandelt werden.«
Sie zerfleischten sich nicht nur gegenseitig, wie seine Kollegin Ann-Kathrin gesagt hatte, Isas Eltern machten sich auch selbst fertig. Zumindest ihr Vater.
Dühnfort teilte Isas Mutter seine Überlegung mit, Sascha habe Isa schon vor seiner Freundschaftsanfrage bei Facebook gekannt und das Mobbing habe sich nicht zufällig daraus ergeben, sondern sei geplant gewesen.
»Das denkt Mika auch«, antwortete sie zu seiner Verblüffung. »Aber warum? Isa hat niemandem Anlass für so viel Hass gegeben.«
»Gab es wirklich keinen Streit, keine verletzten Gefühle? Hat Isa vielleicht einen Jungen zurückgewiesen?«
Marlis Schäfer schüttelte den Kopf. »Sie war auf der Suche nach Liebe. Deshalb ist sie ja auf Sascha hereingefallen. Er hat Türen eingerannt, die sperrangelweit offen standen. Ein paar schmeichelnde Worte, ein paar Einschleimereien, und dann hat er ihr auch noch vorgegaukelt, ein Fan von Beth Ditto zu sein und sie unheimlich sexy zu finden. So hat er Isa überhaupt erst dazu gebracht, ihm zu gestehen, dass sie keine Modellmaße hat. Natürlich hat sie sich in Sascha verliebt. Er fand sie toll und stand auf dicke Mädchen.«
Dühnfort fragte, woher sie diese Einzelheiten kannte, und erfuhr, dass Mika Isas Facebook-Account gehackt und Marlis die Zugangsdaten gegeben hatte. Doch in den Nachrichten, die Isa und Sascha dort getauscht hatten, fand sich kein Hinweis auf seine wahre Identität.
Dühnfort kam noch einmal auf sein Anliegen zurück. »Und Streit gab es wirklich mit niemandem? Das ist unter Jugendlichen eigentlich schwer vorstellbar. Es kommt leicht zu Missverständnissen und Eifersüchteleien. In diesem Alter wird alles tragischer genommen, wiegt schwerer. Sascha muss einen Grund gehabt haben, sich an Isa zu rächen.«
Marlis Schäfer fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Das Einzige, das mir einfällt, ist ein Streit mit Mika. Die beiden haben sich aber schnell wieder versöhnt.«
»Worum ging es dabei?«
»Um die Schule. Isa hatte Mika gebeten, ihr bei einem Französischaufsatz zu helfen. Mika hatte keine Zeit. Isa hat ihr das ziemlich übelgenommen. Sie fühlte sich im Stich gelassen. Deshalb hat sie ein Handyvideo von Mika bei YouTube hochgeladen. Es gab Streit und Tränen. Doch die beiden haben sich ausgesprochen. Und Isa hat das Video gelöscht. Alles war wieder in Butter.«
»Was für ein Video war das?«
»Isa hat es auf einer Party aufgenommen. Mika hatte mehr getrunken, als gut war, und hat ziemlich übermütig ihr T-Shirt gelüpft und ihren Busen gezeigt. Es war ihr natürlich schrecklich peinlich, dass jeder im Internet diesen Ausrutscher sehen konnte.«
Schrecklich peinlich! Isas Mutter war gut. Derart an den Pranger gestellt zu werden, war nicht nur in diesem Alter demütigend. Aber in diesem Alter in besonderem Maß. Kein Wunder, dass Mika und Isa sich darüber zerstritten hatten. Doch sie hatten sich auch umgehend wieder versöhnt. Kein Grund für einen Rachefeldzug.
Dühnfort hörte die Haustür schlagen. Kurz darauf kam Stefan Schäfer auf die Terrasse. Groß, schlank, klare Konturen. Ein Mann, der im Unternehmen eine Verantwortung innehatte, die man ihm auch ansah. Statt Businessanzug trug er allerdings Bermudashorts, Poloshirt und an beiden Händen Verbände. Sicher Blasen von der Arbeit am Badeteich. Das Gesicht war vom Sonnenbrand gerötet, ebenso die Arme.
Dühnfort stellte sich vor und erläuterte den Grund seines Besuchs, während Marlis Schäfer ihrem Mann ein Glas Wasser holte.
Isas Vater verstand, worum es ging, bevor Dühnfort am entscheidenden Punkt angelangt war. In diesem Moment kehrte seine Frau zurück.
»Sie nehmen also an, dass Daniel wusste, wer Sascha ist, und deshalb erschossen wurde«, beendete Isas Vater Dühnforts Überlegung. »Reichlich abstruse These, denn was hätte Sascha schon zu verlieren, wenn er auffliegt? Nichts, was einen Mord rechtfertigen würde.«
Spannende Frage, dachte Dühnfort. Wir werden es erfahren, wenn wir wissen, wer Sascha ist.
»Was?«
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