Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Fassungslos sah Marlis Schäfer von ihrem Mann zu Dühnfort und strich sich die weißblonden Haare straff aus dem Gesicht. »Das kann nicht sein. Daniel hätte das nicht für sich behalten. Er hätte uns das gesagt.«
»Es ist eine Theorie, der wir nachgehen.« Dühnfort legte die Karten auf den Tisch. »Beweise dafür haben wir nicht. Deshalb benötigen wir Ihre Unterstützung. Da wir keinen Anfangsverdacht gegen Sascha begründen können, werden wir vom Untersuchungsrichter keinen Beschluss zur Herausgabe von Saschas Facebook-Daten erhalten.«
»Willkommen im Club. Damit ist meine Frau bei der Polizei auch abgeblitzt.«
»Ich habe mit unserem Staatsanwalt gesprochen. Er will Sie in dieser Angelegenheit unterstützen. Mit seiner Hilfe werden Sie erfahren, wer Sascha ist, und …«
»Und Sie auch«, unterbrach Stefan Schäfer. »Wenn ich Sie richtig verstehe, bekommen Sie keinen Beschluss, weil Sie gegen Sascha nichts in der Hand haben. Und nun sollen wir das für Sie richten. Wirklich nicht. Wie …«
»Wollen Sie denn nicht wissen, wer Sascha ist?«, unterbrach Dühnfort nun seinerseits Isas Vater.
Rumpelnd schob er den Stuhl zurück und stand auf. »Nicht Sascha ist für Isas Tod verantwortlich.« Bevor er die Terrasse verließ, warf er seiner Frau einen Blick zu, der Dühnfort frösteln ließ. So viel Verachtung hatte er selten gesehen.
Der Hieb ihres Mannes traf sie. Marlis Schäfers Schultern sanken herab, als würde der Körper gleich folgen und sie einfach unter den Tisch gleiten. Dieser Eindruck von Schwäche dauerte jedoch nur einen Augenblick. Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht und atmete durch, dann hatte sie sich wieder gefangen.
Er wartete noch einen Moment und fragte schließlich, ob er mit ihrer Unterstützung rechnen könnte.
»Lassen Sie mich eine Nacht darüber schlafen. Ja?«
Er verstand. Sie wollte sich nicht gegen ihren Mann stellen, nicht auch noch ihn verlieren.
»Wissen Sie, das ist seltsam. Monatelang habe ich versucht herauszufinden, wer Sascha ist, und bin nur gegen Mauern und in Sackgassen gerannt, bis ich nicht mehr konnte und mich entschlossen habe aufzugeben, nach vorne zu blicken und zu versuchen, aus Isas sinnlosem Tod irgendetwas Positives zu ziehen. Und sei es nur, dass ich an Schulen Vorträge halte. Und ausgerechnet jetzt, wo ich damit abgeschlossen habe, kommt erst Mika mit den Login-Daten von Isas Facebook-Account und dann Sie mit Ihrem Angebot.«
Wieder strich sie sich das Haar mit beiden Händen aus dem Gesicht, und einen Moment erschien es ihm, als ob sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen.
44
Sie starrte in den Garten. Sollten die Buchsbäume doch aussehen wie stachelige Igel, sollten die Rosen doch die welken Blütenblätter fallen lassen und im Rasen der Löwenzahn sprießen. War es nicht egal, egal, egal, völlig gleichgültig? Sollten die Nachbarn doch denken, was sie wollten. Sollte Stefan doch glauben, was er wollte.
Gleichgültig, was sie tat, sie fand ihre innere Ruhe nicht, würde sie nie wieder finden. Das hatte sie endlich erkannt. Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer; ich finde sie nimmer und nimmermehr. Diese Zeilen aus Goethes Faust schienen wie für sie geschrieben.
Stefan gab ihr die Schuld. Warum? Sie verstand es einfach nicht. Streit wegen Isas schulischer Leistungen hatte es spätestens seit der fünften Klasse gegeben, seit dem Übertritt aufs Gymnasium. Das war nichts Neues. Ihre Noten hätten wesentlich besser sein können, wenn sie nicht so faul gewesen wäre. Sie war so klug, so intelligent, hatte Zusammenhänge schnell erkannt und schon früh abstrahierend gedacht, doch ihr fehlten Disziplin und Fleiß, um aus diesen Gaben etwas zu machen.
Was einmal aus ihr wurde, hing nun mal von der Bildung ab. Als Mutter trug Marlis die Verantwortung dafür, ihr Kind zum Lernen zu ermahnen. Stefan hatte sich ja immer herausgehalten. Wenn er abends endlich von der Arbeit kam, wollte er sich nicht mit derartigen Problemen belasten. Isa wird ihren Weg schon finden. Bei manchen platzt der Knoten früher, bei anderen später. Immer hatte er es sich bequem gemacht, die Erziehung komplett ihr aufgehalst, so als ob ihre Arbeit beim Kulturreferat nichts zählte, nichts wert war, im Vergleich zu seiner. Und nun gab er ihr die Schuld. War ja auch einfacher so. Bei ihr konnte er seinen Zorn, seine kaum unterdrückte Wut abladen. Sie konnte er anklagen und bestrafen. Denn sie war schließlich da. Stand Tag für Tag vor ihm, putzte den
Weitere Kostenlose Bücher