Verfluchte Seelen
seinen warmen muskulösen Körper in den Armen zu spüren.
Na ja, daran und …
»Na los. Frag mich schon«, flüsterte er.
»Was soll ich dich fragen?«
»Die Frage, die dir wahrscheinlich seit dem Treffen unter den Nägeln brennt.«
»Bist du sicher, dass du kein Telepath bist?«
Er knurrte. »Ich wünschte, ich wäre einer. Dann müsste ich nicht länger herumrätseln, wie ich mich den Leuten gegenüber verhalten soll.«
»Stimmt.«
»Also los, frag mich.«
»Wer war diese Frau?«
»Die Frau, von der ich getrunken habe, als Ewen mich überrascht hat?«
Melanie nickte matt, während sie spürte, wie die Erschöpfung sie endgültig übermannte. Sie teilte Tanners Ansicht, dass Bastien niemanden töten würde, der es nicht verdient hatte. Was hatte sich die Frau zuschulden kommen lassen? Was für eine Beziehung hatten sie zueinander gehabt?
»Sie war eine Art Zuhälterin. In jenem Teil von London, den die gute Gesellschaft als schäbig bezeichnen würde, gab es viele arme Straßenkinder. Sie hungerten nicht nur, sondern mussten auch schon in lächerlich jungem Alter hart arbeiten, um sich und ihre Familien zu ernähren.«
»Ich nehme an, dass es damals noch keine Gesetze gegen Kinderarbeit gab.«
»Nein. Auch wenn es ein paar Leute gab, die dafür kämpften.« Er seufzte. »Und auch damals gab es schon Pädophile. Genauso wie in meiner Jugend und lange davor. Diese spezielle Frau bediente diese Art von Klientel, indem sie Kinder entführte, sie hereinlegte oder ihren Familien abkaufte, um sie an diese Männer zu verkaufen.«
Solche Menschen konnte Melanie einfach nicht verstehen. Menschen ohne Gewissen. »Wie hast du herausgefunden, was sie tat?«
»Da war ein Junge. Als Kaminkehrer verdiente er gerade genug, um zu überleben. Eines Tages kreuzte er zufällig meinen Weg. Er kam an einem Versteck vorbei, das ich mir gesucht hatte, nachdem ich nachts zu lange unterwegs gewesen war, um es zurück zum Apartment zu schaffen. Blaise und ich hatten uns eins geteilt. Aber Blaise war zu diesem Zeitpunkt schon tot, Roland hatte ihn vor Kurzem getötet, und ich … ich fühlte mich einsam und verlassen. Erst meine Schwester. Dann mein bester Freund. Als ich verwandelt wurde, war ich gezwungen gewesen, meine Familie aufzugeben. Also hatte ich niemanden mehr.«
Voller Mitgefühl drückte Melanie seine Hand.
»Wie auch immer, dieser Junge stolperte zufällig in mein Versteck und … er sah so mager aus und so hungrig. Gleichzeitig war er unglaublich stolz. Ich bot ihm einen Job an, damit er sein Brot verdienen konnte und nicht das Gefühl hatte, dass ich ihm nur aus Mitleid half. Man könnte sagen, dass er mein erster Sekundant war.« Er zuckte mit den Achseln. »Ich wollte ihm wirklich nur ein warmes Plätzchen zum Wohnen bieten. Es war schön, endlich wieder jemanden zum Reden zu haben. Es war nicht mehr so still.« Er seufzte. »Ich weiß nicht. Vielleicht war auch so etwas dabei wie: »So einen Sohn hätte ich auch haben können, wenn ich nicht verwandelt worden wäre«. Es spielt auch keine Rolle mehr, denn eines Tages kam er nicht wieder nach Hause. Und als ich ihn endlich gefunden hatte, war er tot.«
»Die Frau …?«
»Sie hatte geglaubt, dass sie leichtes Spiel mit ihm haben würde, und verkaufte ihn an den Mann, der ihn getötet hat.«
»Und dann …«
»Tötete ich beide … und jeden, der mit der Frau zu tun hatte. Ihre Angestellten. Ihre Kunden.
Sie
habe ich mir als Letztes vorgeknöpft. Leider kam Ewen ausgerechnet in dem Augenblick dazu, als ich dabei war, den letzten Tropfen Blut aus ihr herauszusaugen.«
»Dann kann er kein Telepath gewesen sein, sonst hätte er gewusst, warum du sie getötet hast.«
»Ich weiß nicht, welche Begabung er hatte. Ich weiß nur, dass er mir keine Chance gab, ihm zu erklären, warum ich es getan hatte. Er versuchte mich zu töten, aber ich schaffte es schließlich, den Spieß umzudrehen. Damals hatte ich keine Blutvorräte, deshalb brauchte ich drei Tage, um mich von dem Kampf zu erholen.«
»Das solltest du den anderen erzählen.«
»Glaubst du wirklich, dass der Verlust weniger schmerzlich für sie wäre, wenn sie wüssten, dass ihr Freund gestorben ist, weil er sich geirrt hat? Glaubst du, dass sie mich deswegen lieber mögen würden?«
»Nein, wahrscheinlich nicht.« Sie gähnte.
Bastien strich ihr zärtlich über das Haar. »Es war eine lange Nacht. Du solltest versuchen zu schlafen.«
Melanie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund und schloss
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