Verfluchte Seelen
funktioniert.«
Seth wandte seine Aufmerksamkeit dem blonden Mann zu. »Wie meinst du das?«
»Die Vampire, die sich Bastien angeschlossen hatten, hatten Angst vor ihm.«
Das überraschte Melanie. Nicht, weil sie daran gezweifelt hätte, dass Bastien Respekt einflößend sein konnte. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er ihr einen Riesenschreck eingejagt, und normalerweise ließ sie sich nicht so schnell einschüchtern. Aber Cliff und Joe hatten immer nur Gutes über ihn gesagt. Genauso wie Vince.
»Jedenfalls die meisten«, relativierte Tanner. »Das war Bastiens einzige Chance, diejenigen zu kontrollieren, die anfingen, den Verstand zu verlieren. Er hatte sehr strenge Regeln. Und die Vampire hatten Angst vor seiner Reaktion, wenn sie diese verletzten.« Als Roland den Mund öffnete, hob er die Hand. »Es ist wahr, ein paar von ihnen haben trotzdem die Regeln gebrochen, aber der Großteil hat sich daran gehalten. Wenn es nicht so wäre, wären die Listen der vermissten Personen sehr viel länger.« Er warf Chris einen Blick zu. »Habe ich nicht recht?«
Melanie fragte sich, wie viel Überwindung es Chris wohl kosten mochte, bestätigend zu nicken.
»Was ich damit sagen will«, fuhr Tanner fort, »ist, dass die Vampire Bastien als das kleinere von zwei Übeln angesehen haben. Sie wussten, dass sie bessere Überlebenschancen haben, wenn sie sich ihm anschließen. Und sie wussten außerdem, dass sie sicherer sein würden, wenn sie die Unsterblichen besiegten. Wenn wir sie glauben machen, dass Emrys und seine Soldaten eine größere Gefahr für sie darstellen als die Unsterblichen, wird sich das dank der brodelnden Gerüchteküche schnell herumsprechen. Ich kann mir vorstellen, dass diejenigen von ihnen, die noch bei Verstand sind, mit euch zusammenarbeiten – um Emrys das Handwerk zu legen und zu verhindern, dass ihm ihre Artgenossen in die Hände fallen.«
Richart studierte Tanner neugierig. »Warum bist du dir so sicher, dass die Vampire uns zuhören würden?«
»Das sind Vampire«, erwiderte Tanner. »Bei denen kann man nie ganz sicher sein. Aber wie ihr wisst, haben sie auf Bastien gehört. Sie haben sich nicht nur seiner Armee angeschlossen, sondern auch dazu beigetragen, dass zum ersten Mal in der Geschichte eine Vampirarmee gebildet werden konnte. Und das hat sich weltweit herumgesprochen.«
»Du musst ein ziemlich charismatischer Schweinehund sein«, brummte Yuri, wobei er Bastien eingehend musterte, als handele es sich bei ihm um eine seltsame neue Insektenspezies.
»Das ist er«, schaltete sich Melanie ein. Ehrlich gesagt wusste sie nicht, warum das die anderen überraschte. »Charismatisch, meine ich.«
Richart musterte Bastien mit zusammengekniffenen Augen. »Davon kann ich nichts sehen.«
Melanie verdrehte die Augen. »Na ja, wenn einer von Ihnen sich die Mühe gemacht hätte, die Vampire im Hauptquartier zu besuchen, dann wüssten Sie, wovon wir sprechen. Wenn man etwas Zeit mit ihnen verbringt und sich mit ihnen unterhält, merkt man sofort, wie sehr sie Bastien respektieren und mögen.«
»Also, Dr. Lipton«, protestierte Bastien verlegen.
»Was denn?«, fragte sie. »Es ist wahr. Selbst Vince mochte und respektierte Sie, und sein Wahnsinn war schon ziemlich weit fortgeschritten, als er sich dem Netzwerk anvertraute.«
»Und das haben Sie gewusst?«, fragte Bastien.
»Nicht von Anfang an. Aber jetzt, da ich die kleinen, leicht zu übersehenden Anzeichen kenne – ja. Ich habe gesehen, dass die Gehirnschädigung, die das Virus verursacht, bei ihm schneller voranschritt als bei anderen.« Sie sah sich unter den Anwesenden um. »Selbst wenn ein Vampir den Verstand verliert, können die Erfahrungen, die er in den lichten Momenten macht, sein Verhalten verändern. Ich habe Vincent täglich besucht und mit ihm gesprochen. Ich habe versucht, ihm zu vermitteln, dass er für mich nicht einfach nur ein Vampir oder eine Art Laborratte war, sondern ein ganz normaler Kerl. Er mochte mich. Er vertraute mir. Und wenn er einen seiner psychotischen Anfälle hatte, die ihn ohne jede Vorwarnung überfielen, hat er mir nie etwas angetan. Er hat mich
kein einziges Mal
verletzt. Andere hingegen, die sich zufällig ebenfalls im Raum aufhielten …« Sie zuckte mit den Achseln. »Aber mir hat er nichts getan. Weil er mir vertraute.«
Lisette schürzte die Lippen. »Das ist mir auch aufgefallen. Wenn Vampire sich heutzutage in Gruppen zusammenrotten, fallen sie nicht mehr übereinander her, wie sie es in den
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