Verfluchte Seelen
abstützte, das warme Wasser über sein Haar floss und das Blut von seinem zerschlagenen Körper wusch, hatte Étienne die Präsenz seines Bruders gefühlt und den Kopf gehoben.
Dank seines scharfen Gehörs hatte er keine Mühe gehabt, die Stimmen von Richart, Ami und Darnell im Obergeschoss zu vernehmen. Offenbar war Dr. Lipton bei einer Auseinandersetzung mit den Vampiren tödlich verwundet worden.
Was zum Henker hatte sie dazu getrieben, mit den beiden Unsterblichen Vampire zu jagen?
Egal.
Irgendetwas brachte seinen Bruder aus der Fassung.
Was ist los?
, hatte er ihn per Gedankenkraft auf Französisch gefragt.
Wie schnell kannst du fertig sein?
, hatte dieser geantwortet, ohne seine Unterhaltung zu unterbrechen.
Eine Minute. Vielleicht zwei. Wie schnell brauchst du mich?
Er hatte nicht gefragt, worum es ging. Das war nicht wichtig.
Zieh dir was an. Ich möchte die anderen nicht alarmieren, aber … es könnte sein, dass ich deine Hilfe brauche, um Bastien unter Kontrolle zu bringen, wenn ich zum Unigelände zurückkehre.
Étienne hatte die Stirn gerunzelt.
Wie meinst du das – ihn unter Kontrolle bringen?
Du wirst es schon sehen, wenn wir dort sind. Ich muss los.
Als sich Richart an einen anderen Ort teleportiert hatte, war die Verbindung abgerissen. Fluchend wusch sich Étienne mit übernatürlicher Schnelligkeit das Blut vom Körper und stellte die Dusche ab.
Den Vorrat an sauberer Kleidung, den David in seinem Haus jederzeit für die Unsterblichen und ihre Sekundanten griffbereit hatte, konnte mit dem Sortiment eines Bekleidungsgeschäfts mithalten. Die Zahl der Männer und Frauen, die in dem Haus des uralten Unsterblichen ein und aus gingen (ein Haus, in dem sich viele von ihnen heimisch fühlten), war riesig, und viele kamen in zerrissener und blutbeschmierter Kleidung direkt vom Schlachtfeld. David bereitete es Freude, immer gut auf Besucher vorbereitet zu sein und seine
Familie
mit allem zu versorgen, was sie brauchte, um sich wie zu Hause zu fühlen. Dazu gehörten auch freie Gästezimmer und die Kleidung.
Étienne durchwühlte den Schrank des Gästezimmers, das er in letzter Zeit immer häufiger benutzt hatte. Er zog eine schwarze Cargohose heraus, außerdem ein langärmeliges T-Shirt, Boxershorts und Socken. Alles in Schwarz.
Er wusste nicht, ob David und Darnell das klar war, aber seit die Unsterblichen aus der Gegend gehört hatten, dass sich dieses Schwein Emrys danach verzehrte, Ami in die Finger zu bekommen, hatten sie mehr und mehr von ihrer Freizeit geopfert, um dafür zu sorgen, dass Ami in Sicherheit war.
Dabei war es nicht so, dass David sie nicht allein hätte beschützen können. Aber sie wirkte so klein und zerbrechlich – trotz ihrer verblüffenden Fähigkeiten, wenn es darum ging, einem Vampir einen ordentlichen Arschtritt zu verpassen.
Und darin war sie tatsächlich ziemlich gut. Étienne hatte sie bisher nur einmal kämpfen sehen, aber das würde er nie vergessen.
Davon abgesehen hielt er sich gern in Davids Haus auf. Sein Sekundant Cameron hatte sich erst kürzlich Hals über Kopf in eine Frau verliebt und verbrachte jede freie Minute mit ihr. In dem Haus, in dem er und Cam gemeinsam wohnten, war es deshalb verdammt einsam geworden. Aber seit Ami und Marcus bei David eingezogen waren, war bei ihm immer was los – die Unsterblichen und ihre Sekundanten hatten immer eine Menge Spaß miteinander, und es wurde nie langweilig.
Oder einsam.
Nachdem er sich rasch angekleidet hatte, zog Étienne seine ramponierten, aber bequemen Stiefel an und griff nach den Waffen.
Es könnte sein, dass ich deine Hilfe brauche, um Bastien unter Kontrolle zu bringen, wenn ich zum Unigelände zurückkehre.
Was zum Henker meinte er damit?
Bereit für alles, was sein Bruder von ihm verlangen mochte, beeilte sich Étienne, die Treppe ins Erdgeschoss hochzusprinten.
Aus Davids Arbeitszimmer drangen Amis und Darnells Stimmen herüber, sie klangen angespannt und besorgt.
Es sah so aus, als ob Dr. Lipton es nicht schaffen würde. Obwohl Étienne sie nicht gut kannte, würde er ihren Tod nichtsdestotrotz betrauern. Während der Herrschaft des Vampirkönigs war sie ihm und den übrigen Unsterblichen eine große Hilfe gewesen. Und, wie David so häufig sagte, man musste kein Unsterblicher sein, um zur Familie zu gehören.
»Seth muss sich Roland endlich mal zur Brust nehmen, damit er Richart sagt, wo er wohnt«, bemerkte Étienne, als er das Arbeitszimmer betrat. Rolands Drang, seinen Wohnort
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