Verfluchte Seelen
lebte, während Ewen tot war.
Aber Ami kannte ihn besser als die anderen. Ja, es stimmte, er hatte Fehler gemacht. Ein paar wirklich schlimme Fehler, aber seine Absichten waren ehrenhaft.
Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.
Das hatte Marcus in der letzten Nacht grimmig erwidert, als sie versucht hatte, Bastien zu verteidigen.
Sie wusste, dass es ihren Mann wurmte, dass sie Bastien mochte. Aber er war ihr immer nur mit Freundlichkeit begegnet. In den ersten Tagen ihrer Bekanntschaft war er für sie so etwas wie ein guter Geist gewesen, auch wenn er sich nicht ganz freiwillig in Seth’ Schloss aufgehalten hatte. Er hatte es schwer gehabt, denn er musste sich an ein neues Leben gewöhnen und war außerdem von Leuten umgeben, die er nicht kannte. Vor ihm lag eine ungewisse Zukunft, und seine Vergangenheit war voller Bitterkeit.
Während dieser ersten paar Wochen, während sich Ami von den körperlichen und seelischen Verletzungen erholte, die ihr Emrys’ Folterknechte zugefügt hatten, hatten sie sich miteinander angefreundet. Dieses Band war genauso unverwüstlich wie die Freundschaft, die sie mit Seth, David und Darnell verband.
Im Flur erklangen schwere Stiefelschritte.
Sie erhob sich von dem wunderschönen Schreibtisch, den David für sie gekauft hatte.
»Wo ist David?«
Richart war im Türrahmen aufgetaucht, in den Armen hielt er die bewusstlose Dr. Lipton. Ihr Kopf hing schlaff herunter, und das Haar fiel ihr in einem mahagonifarbenen Vorhang bis zur Taille. In der Vorderseite ihres Oberteils klafften drei Löcher, und sie war blutüberströmt; etwas davon lief über seine Hand und tropfte auf den Boden. Als er stehen blieb, baumelte ihr schlanker Arm hin und her.
»Er ist nicht hier.« Sie eilte zu ihm. »Chechenko hat heute Nacht fast ein Bein verloren, deswegen musste David nach Virginia, um ihn zu heilen.«
»Was ist mit Seth?«
Schnell zog sie das Handy aus der Tasche und wählte.
Auf der anderen Seite der Leitung waren Kampfgeräusche zu hören. Metall, das gegen Metall krachte. Männer, die vor Schmerzen heulten.
»Was ist los, Süße?«, fragte Seth.
»Dr. Lipton ist verletzt.«
»Ich fürchte, ich hab schon alle Hände voll zu tun. Du musst …« Er knurrte, fluchte und sprach dann weiter. »Du musst Roland anrufen oder sie zum Netzwerk bringen.«
»Okay.«
»Aber halte mich auf dem Laufenden.«
»Das werde ich.«
Sie beendete das Telefonat. »Du musst sie zu Roland bringen.«
Richart fluchte. »Ich weiß nicht, wo dieser paranoide Scheißkerl wohnt!«
Ami steckte den Kopf durch die Tür in den Flur. »Darnell!«
Stiefelschritte waren auf der Treppe zu hören, die vom Keller ins Erdgeschoss führte.
Innerhalb weniger Sekunden tauchte Darnell im Flur auf, dicht gefolgt von sechs Auszubildenden. »Was ist los?« Seine Augen wurden groß, als er Dr. Lipton bemerkte. »Oh verdammt! Wie schlimm ist es?«
»Tödlich«, sagte Richart.
Die Blicke der Sekundanten verdüsterten sich.
»David und Seth haben alle Hände voll zu tun«, erklärte Ami. »Weißt du, wo Roland wohnt?«
»Nein.« Er griff in die Hosentasche und zog sein Handy heraus. »Er muss herkommen.«
Richart schüttelte den Kopf. »Er soll zum Netzwerk fahren. Sie hat nicht mehr viel Zeit. Hoffentlich schaffen es die Ärzte, sie am Leben zu erhalten, bis er dort ankommt.«
Eine Sekunde später war er verschwunden.
Ami hörte ein paar der Auszubildenden nach Luft schnappen. »Du rufst Roland an. Ich kümmere mich um Chris.«
Bastien schubste den letzten Soldaten vom Dach. Er hatte dem Mann die Stimmbänder zerquetscht, damit er mit seinen Schreien keine Passanten aufscheuchte, die möglicherweise gerade auf dem Unigelände unterwegs waren.
Die Scharfschützen hatte er allesamt erledigt. Jetzt war es an der Zeit, sich um die Bodensoldaten zu kümmern.
Er zog sein Handy aus der Tasche und rief Chris an.
»Reordon«, bellte der Mann am anderen Ende ungeduldig.
»Ich brauche eine Säuberungsmannschaft«, sagte er und machte einen Sprung, um unten vor dem Gebäude auf dem Rasen zu landen.
»Bastien? Was zur Hölle ist da los? Vor ein paar Sekunden ist Richart mit Dr. Lipton in den Armen hier aufgetaucht.«
»Warum zum Teufel ist er im Netzwerk? Warum heilt David sie nicht?«
»Er kann nicht. Bei Seth ist es dasselbe. Sie haben schon alle Hände voll zu tun. Ein medizinisches Notfallteam kümmert sich um sie, und Roland ist auf dem Weg. Aber jetzt sag mir …«
»Frag Bastien nach einem
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