Verfluchte Seelen
offenbar hielten. Jetzt dachte er wahrscheinlich, dass sein Kuss sie irgendwie besudeln würde. Dagegen musste sie dringend etwas unternehmen. Sie brauchte nur etwas Zeit, um sich zu überlegen, was.
»Ich nehme an, dass es um den Kuss geht?«, fragte sie unschuldig.
»Ja.«
»Dieser heiße, feuchte Kuss, der mein Herz hat schneller schlagen lassen und außerdem bewirkt hat, dass ich dir am liebsten die Kleider vom Leib gerissen hätte, um jeden Millimeter deines Körpers zu erforschen?«
Seine Augen fingen unwillkürlich an zu leuchten und verrieten ihr, dass ihre Worte ihn erregten. »Den meinte ich.«
»Was ist damit?«
»Das sollte sich nicht wiederholen.«
»Hat es dir denn nicht gefallen?« Okay, es war ein bisschen gemein, ihn damit zu ärgern, aber sie konnte einfach nicht widerstehen.
»Du weißt, dass er mir gefallen hat«, sagte er, wobei in seiner Stimme ein kehliger Unterton mitschwang, der ihr einen Schauer über den Rücken jagte. »Selbst wenn mich meine Augen nicht verraten würden, bin ich mir sicher, dass andere Körperteile es getan haben.«
»Auf sehr eindrucksvolle Art«, bestätigte sie.
»Trotzdem, das ist einfach keine gute Idee.«
»Etwas Ähnliches hast du schon mal gesagt.«
»Und habe es so gemeint. Du bedeutest mir etwas, Melanie. Sehr viel sogar. Und ich möchte jetzt nicht herablassend klingen, aber ich glaube wirklich nicht, dass dir klar ist, worauf du dich da einlässt. Wir sprechen hier nicht von bösen Blicken oder fiesen Kommentaren. Wir sprechen über die mögliche Zerstörung deiner beruflichen Existenz. Chris Reordon vertraut mir nicht und wird es auch nie. Beim geringsten Anlass lässt er mich einsperren. Und jetzt sind wir nur deswegen hier, weil er mich in der Arrestzelle anketten will.«
Melanie hätte wirklich gern gewusst, warum Chris Bastien so sehr hasste. Normalerweise war ihr Chef ein gutmütiger Kerl. Freundlich. Immer da, wenn man ihn brauchte. Aber er und Bastien … das musste etwas Persönliches sein.
»Deswegen mache ich mir keine Sorgen.«
»Das solltest du aber.« Er klang wirklich sehr besorgt. »Deine Arbeit ist für das Netzwerk von unschätzbarer Bedeutung. Wenn es jemanden gibt, der ein Heilmittel gegen das Virus findet oder eine Methode, die Infizierten zu behandeln, dann bist das du.«
Was Bastien da sagte, war nicht nur ein unglaubliches Kompliment, sondern auch eine schwere Bürde für einen einzelnen Menschen. So viele Erwartungen … was, wenn sie sie nicht erfüllen konnte? »Hör zu, Bastien, ich bin keine Heilige.«
»Aber du darfst deine Fähigkeiten auch nicht unterschätzen, Melanie. Dafür bist du viel zu wichtig. Und du liebst deine Arbeit, hab ich nicht recht?«
»Sehr.« Und sie wusste, dass das keine Selbstverständlichkeit war. Es gab so viele Menschen, die Jobs hatten, die sie hassten, und mit Kollegen zusammenarbeiten mussten, die sie nicht leiden konnten. Auch wenn sie wegen ihrer Arbeit manchmal unter hohem Druck stand, liebte sie sie. Außerdem mochte sie fast alle ihre Kollegen (Dr. Whetsman war eine Ausnahme).
»Mit mir zusammen zu sein würde bedeuten, all das aufs Spiel zu setzen«, fuhr Bastien fort. »Deine hohe Position beim Netzwerk ermöglicht dir den freien Zugang zu allen wichtigen Informationen, die du für deine Arbeit brauchst. Wenn die anderen erführen, dass du und ich … wenn irgendjemand den Verdacht hätte, dass du zärtliche Gefühle für mich hegst, dann würden sie diesen Spielraum spürbar einschränken. Man würde dir nicht mehr vertrauen und dich vielleicht sogar ganz ausschließen. Ich traue Chris sogar zu, dass er dir untersagt, weiter mit Cliff und Joe zusammenzuarbeiten.«
Na schön. Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit. Würde Chris so etwas wirklich tun? Würde er wirklich so weit gehen? Ging seine Abneigung gegen Bastien so weit, dass sich das auch auf sie auswirken würde?
Aber selbst wenn – war ihre medizinische Forschung nicht so essenziell für das Netzwerk, dass ihm die Hände gebunden waren? Oder überschätzte sie ihre Arbeit?
»Vertrauen ist alles, Melanie. Du kannst es dir nicht leisten, sein Vertrauen zu verlieren und zu riskieren, dass er jede deiner Entscheidungen infrage stellt. So etwas kann auf Dauer sehr zermürbend sein.«
Dieser Einwand war es wert, darüber nachzudenken, da musste sie ihm recht geben. Andererseits waren die Gefühle, die Bastien in ihr auslöste, so überwältigend, dass sie nicht bereit war, sie aufgrund unsicherer Spekulationen aufzugeben.
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