Verfluchte Seelen
vorherzusehen.
»Manchmal habe ich ein … ungutes Gefühl … wenn etwas Schlimmes passieren wird. Zum Beispiel in der Nacht, als meine Eltern bei einem Unfall ums Leben kamen. Ich hatte dieses Gefühl auch an dem Tag, als Vincent seinen letzten Anfall hatte. Und in der Nacht, als Dana getötet wurde.«
Während er die letzten Bissen von seiner Pastete aß, dachte er darüber nach. Je jünger ein Unsterblicher war, desto schwächer war seine oder ihre Begabung ausgebildet. Seth behauptete, dass das daran lag, dass die Blutlinie der
Begabten
im Laufe der Jahrhunderte verwässert worden war, wenn diese mit Sterblichen Kinder gezeugt hatten. Sarah war sich nicht einmal darüber klar gewesen, dass sie eine Gabe besaß, eine Gabe, die der von Melanie sogar recht ähnlich war. Sarah hatte prophetische Träume, nur dass man diese nicht allzu wörtlich nehmen durfte. Nach dem zu schließen, was Bastien bei David gehört hatte, kamen in diesen Träumen Symbole vor, die entschlüsselt werden mussten. Wenn Roland beispielsweise eine lebensgefährliche Situation bevorstand, dann träumte Sarah nicht eins zu eins, was sich in dieser Situation ereignen würde. Stattdessen träumte sie von Tornados oder irgendwelchem anderen Blödsinn.
»Hattest du auch ein ungutes Gefühl, ehe wir heute Nacht auf die Jagd gegangen sind?«
Sie zögerte. »Ja.«
»Und warum hast du nichts gesagt?«
»Weil ich gedacht habe, dass es nur die Nerven sind. Dass meine Ängste mit mir durchgehen. Ich habe mir deinetwegen Sorgen gemacht, gleichzeitig habe ich mich darauf gefreut, mit dir Zeit zu verbringen, und dann war ich aufgeregt, zum ersten Mal auf Vampirjagd zu gehen …«
Was war er doch für ein Blödmann. Melanie besaß ein inneres Frühwarnsystem, das ihr sagte, wenn sich etwas Schlimmes ereignen würde, und statt Anteilnahme zu empfinden, war er innerlich vor Freude total von den Socken, weil sie sich darauf gefreut hatte, mit ihm Zeit zu verbringen.
»Ich war mir auch nicht ganz sicher, wie ich diese
Begabten-
Sache überhaupt zur Sprache bringen sollte«, fuhr sie fort. »Ich wollte nicht, dass du den Eindruck bekommst …« Sie lachte verlegen und versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen.
Aber Bastien ließ sie nicht los. »Erzähl’s mir.« Er spürte ihren Widerwillen und war neugierig zu erfahren, warum sie rot wurde.
Sie seufzte. »Mir ist klar, dass du weißt, dass ich auf dich stehe, und ich wollte nicht, dass es so aussieht … dass es so aussieht, als ob ich mich selbst anpreise, indem ich so etwas sage wie: ›Hey, du musst unbedingt mit mir ausgehen, weil ich verwandelt werden kann‹ … oder so was in der Art.«
Sie hatte recht. Sie konnte
tatsächlich
verwandelt werden. Wenn er geglaubt hätte, dass sie zusammen sein könnten, ohne dass die anderen ihr deswegen die Hölle heißmachten, würde er jetzt vor Freude juchzend durch die Gegend springen.
»Hast du darüber nachgedacht … dich verwandeln zu lassen?«
Sehr subtil.
Sie nickte. »Ja, ein paarmal habe ich ernsthaft darüber nachgedacht. Aber ich bin noch nicht wirklich bereit, die Sonne aufzugeben.« Sie lächelte traurig. »Oder meine Lieblingsspeise. Ich weiß, das klingt lächerlich, aber so ist es nun mal. Ich weiß, dass ihr Unsterblichen nur naturbelassene Lebensmittel esst, aber ich stehe nun mal total auf Fast Food und Snacks.«
»Ich sage dir das ja nur ungern, aber diese Lieblingsspeisen, von denen du da sprichst, würden nach einer Verwandlung ganz anders schmecken.«
Sie runzelte die Stirn. »Tatsächlich? Warum?«
Er deutete auf seine Nase und seine Augen. »Unser Geruchs- und unser Sehsinn sind nicht die einzigen Sinne, die sich während der Verwandlung schärfen. Dasselbe gilt für unseren Geschmackssinn.«
Cool. »Dann schmecken meine Lieblingsspeisen nach der Verwandlung also noch besser?«
»Vor hundert Jahren hätte ich ja gesagt. Aber jetzt … wir Unsterblichen schmecken jede Zutat.« Mit dem Kinn deutete er auf die Pastete. »Ich schmecke jedes Gewürz und jedes Gemüse in dieser Pastete und könnte dir genau sagen, welche Mengen verwendet wurden.«
Melanie war vielleicht nicht in der Lage, die genaue Menge der Zutaten anzugeben, aber die Gewürze und verschiedenen Gemüse schmeckte sie auch. »Und …?«
Er lächelte entschuldigend. »Und ich merke eben auch den Unterschied zwischen echter Vanille und synthetisch hergestelltem Vanillin. Oder den Unterschied zwischen einer Bioschokolade mit dreiundsiebzig Prozent Kakaoanteil und einem
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