Verfolgt im Mondlicht
Die Kälte, die jede Geistererscheinung begleitete, war manchmal echt unangenehm.
»Ich weiß es nicht. Ich glaub, ich war wütend.« Die Frau starrte gedankenverloren die Wand an. Dann fasste sie sich an den Hals.
Kylie bemerkte die schmerzhaft aussehenden Male am Hals der Frau.
»Was ist mit dir passiert?« Kylie schluckte beim Gedanken daran, dass die Frau vielleicht erwürgt wurde.
Der Geist sah Kylie aus feuchten Augen an. »Ich bin tot.«
Kylie nickte. »Ich weiß.« Sie hielt einen Moment inne. »Was ist passiert?«
Der Geist schüttelte den Kopf. »Es sind Bruchstücke wie aus einem schlimmen Albtraum. Aber ich glaube, es hat etwas damit zu tun, wieso ich hier bin. Ich meine, ich sollte doch schon längst weg sein … Wir … Übernatürliche bleiben nie lange hier.« Sie senkte den Blick, und ihre Erscheinung begann zu verblassen. »Ich muss das dringend rausfinden. Ich glaub, es ist wichtig.«
»Ich helfe dir, so sehr ich kann«, beeilte Kylie sich zu sagen. Sie erinnerte sich, dass ihr Holiday auch mal gesagt hatte, dass Übernatürliche nur selten nach ihrem Tod als Geister auf der Erde verweilen. »Wenn dir dein Name einfällt, kann ich mal im Internet schauen. Vielleicht hilft uns das weiter.«
Der Geist ging näher zum Fenster und berührte die Glasscheibe. Eine Eisschicht legte sich auf das Fenster, so dass man die Außenwelt nur noch verschwommen sehen konnte. »Du solltest lieber anfangen, deine eigenen Probleme zu lösen.«
»Das versuche ich ja«, verteidigte sich Kylie, die wieder deutliche Züge von Holiday in dem Geist erkannte, was ihr gar nicht gefiel. »Wie heißt du?«, fragte Kylie wieder.
Die Umrisse der Geisterfrau wurden blasser und verschwanden langsam – genau wie die Eisschicht an der Scheibe. Dann endlich rückte sie damit heraus. »Ich glaube, ich heiße Hannah oder Holly. Irgendwie so.«
»Nein.« Kylies Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Sie schnappte sich eine Haarspange und steckte ihre Haare zurück. Sie musste Holiday sehen, auch wenn sie nicht wusste, was sie der Campleiterin sagen sollte. Sie musste sie einfach sehen. Lebend.
Kylie verließ ihr Zimmer und fand das Wohnzimmer leer vor. Sie ging zur Haustür, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne, als ihr etwas einfiel. Wer war eigentlich heute ihr Schatten? Eigentlich war Kylie das gerade herzlich egal. Sie ging ja nur zum Büro rüber. Aber sie hatte heute bereits einmal Ärger mit Burnett bekommen und sie konnte auf ein zweites Mal verzichten.
»Della?«, rief sie laut.
Keine Antwort. Stimmte da etwas nicht?
»Hey.« Miranda streckte den Kopf aus ihrer Zimmertür. »Della hat ein Treffen mit Burnett. Ich hab Schatten-Dienst«, verkündete sie stolz.
Kylie nickte. »Gut. Lass uns zum Büro gehen.«
»Warum?«
»Weil ich mit Holiday reden möchte.«
»Über was denn?«
»Sag ich dir nicht.«
»Du hast heut echt miese Laune, was?« Miranda rümpfte die Nase, als hätte sie gerade etwas Ekliges essen müssen.
Kylie wollte gerade etwas erwidern, hielt sich aber gerade noch zurück. Es war zwar verständlich, dass sie schlechte Laune hatte, aber das gab ihr noch nicht das Recht, es an ihren Freunden auszulassen. »Es tut mir leid. Ich weiß, ich war heut ziemlich pampig. Ich hab grad echt viel um die Ohren.«
»Ich weiß.« Miranda klang schon wieder milder gestimmt. »Die Trauerfeier hat uns alle runtergezogen. Aber dann auch noch deine Eidechsen-Krise, ich glaub, ich hätte super miese Laune, wenn mir jemand sagen würde, dass ich ein Reptil bin. Deshalb hab ich heut auch noch kein einziges Mal meinen kleinen Finger gegen dich eingesetzt.«
»Das weiß ich sehr zu schätzen.« Erst jetzt realisierte Kylie, was Miranda vorher gesagt hatte. »Warum wollte Burnett denn mit Della reden?«
»Kein Plan.«
»War sie aufgeregt?« Kylie fragte sich, ob es etwas damit zu tun hatte, was Burnett Holiday am Telefon gesagt hatte. Und Kylie wusste noch sehr gut, dass sie das Gefühl gehabt hatte, dass es um sie ging.
»Nicht wirklich. Mal unter uns, ich glaube, Della steht auf Burnett. Sie bekommt immer so ein Leuchten in den Augen, wenn Burnett sie um etwas bittet.«
»Nein, tut sie nicht. Sie weiß doch, dass er total in Holiday verliebt ist.«
»Warum bemüht sie sich dann nicht mehr um Steve? Sie ist eifersüchtig auf uns, dass wir Freunde haben, aber gibt sich gar keine Mühe bei Steve. In letzter Zeit ist mir nämlich auch aufgefallen, was du mal gemeint hast. Der Gestaltwandler starrt sie echt
Weitere Kostenlose Bücher