Verfolgt im Mondlicht
Tagen da sein sollen«, stellte Burnett fest. »Und nur damit du es weißt, falls du vorhast, in Shadow Falls zu bleiben: Wir mögen es nicht gerade, wenn Pläne ohne Rücksprache einfach so geändert werden.«
Clara reckte stolz ihr Kinn, als wollte sie Burnett etwas entgegnen. Immerhin war es Lucas’ Schwester, also ging Kylie dazwischen. »Ich bin mir sicher, sie wird sich anpassen. Lucas wird ihr alles erklären.«
»Wo ist mein Bruder überhaupt?«, fragte Clara.
»Er wurde vor den Rat zitiert«, antwortete Burnett.
Kylie schaute Burnett an und fragte sich, ob er es von Lucas wusste. Und wenn ja, wieso hatte Lucas ihr nichts erzählt?
»Gibt es ein Problem zwischen ihm und dem Rat?«, wollte Clara von Burnett wissen.
Kylie erinnerte sich an Wills seltsames Verhalten, als Kylie ihm eine ähnliche Frage gestellt hatte.
»Nicht, dass ich wüsste.« Burnett hielt kurz inne und fragte dann: »Wie schlimm bist du verletzt?«
»Ach, nur ein Kratzer«, antwortete Clara.
»Sie ist ohnmächtig geworden«, meinte Kylie.
»Gar nicht«, widersprach Clara, der das sichtlich unangenehm war.
Die Gruppe ging jetzt langsam Richtung Camp. Die Geräusche des Waldes kehrten zurück, doch Kylie bemerkte es kaum. Ihre Gedanken kreisten um das, was sie gesehen hatte, als sie sich das letzte Mal umgedreht hatte. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie es Burnett erzählen sollte. Sie warf kurz einen Blick über die Schulter und versuchte, den vertrauten Lockruf zu hören. Waren ihr Großvater und ihre Großtante noch da? Oder waren sie weg?
Das Gefühl hatte nicht mehr dieselbe Intensität wie zuvor, aber sie konnte es noch spüren.
»Perry«, sagte Burnett plötzlich, »geh mit Della schon mal voraus und bring Clara zum Büro, damit sie mit Holiday redet.« Burnetts Befehlston sorgte dafür, dass es im Wald wieder stiller wurde. »Kylie, wir müssen uns mal unterhalten.« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass es nicht gerade ein Kaffeeklatsch werden würde.
Kylie blieb stehen. Perry warf Kylie einen mitfühlenden Blick zu. »Sie hat doch nur helfen wollen«, verteidigte der Gestaltwandler sie.
Della stimmte ein. »Und nichts ist passiert. Ende gut, alles gut, oder? Du kannst jetzt nicht sauer sein, wenn …«
»Los jetzt«, befahl Burnett.
Della knurrte widerwillig, und Perry warf Kylie einen aufmunternden Blick zu. Sie war den beiden so dankbar, dass sie ihr zur Seite standen. Doch sie würde schon klarkommen. Zumindest hoffte sie das.
»Bis später«, sagte sie schnell zu Perry, als der Anstalten machte, weiter mit Burnett zu diskutieren.
Die drei gingen davon, und Kylie atmete tief die würzige Waldluft ein. Burnett trat neben sie. Clara schaute zurück. Ihr Blick drückte jedoch mehr Neugierde als Mitgefühl aus.
»Bekommt sie jetzt Ärger?«, fragte Clara, noch in Hörweite.
»Lass es mich mal so ausdrücken: Ich würde jetzt nicht mit ihr tauschen wollen«, antwortete Perry.
»Und dein Wolfarsch ist der Grund dafür, dass sie Ärger bekommt«, pflaumte Della sie an.
»Ich hab sie nicht darum gebeten, mir zu helfen«, konterte Clara.
Kylie wartete noch einen Moment, bis sie etwas sagte. »Ich sollte nicht für etwas bestraft werden, das ich nun mal tun musste.«
»Du hättest getötet werden können. Es hätte ein Trick sein können, um dich vom Camp wegzulotsen.«
»War es aber nicht. Clara dachte, sie sei in Gefahr. Ich habe ihre Furcht gespürt und reagiert.«
»Sie dachte, sie sei in Gefahr?«, hakte Burnett nach. »Willst du damit sagen, dass es nicht so war?«
Als Kylie nicht gleich antwortete, fuhr Burnett fort. »Vor was seid ihr zwei eigentlich überhaupt weggelaufen?«
Kylie hatte das starke Bedürfnis, ihm alles zu sagen, doch ein anderes Bedürfnis – das nach Antworten – veranlasste sie, darüber zu schweigen. »Wie gesagt. Es war ein Nebel«, antwortete Kylie, sicher, dass ihre Antwort nicht als Lüge gedeutet werden konnte. Ihre Worte entsprachen der Wahrheit.
Nur nicht der ganzen Wahrheit.
»Hast du etwas Böses gespürt?«
»Ich hatte Angst«, gestand Kylie. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Nicht vor Angst, sondern vor Kälte – die Sorte Kälte, die mit Geistern kam. Sie schaute sich möglichst unauffällig um. Der Holiday-Doppelgänger-Geist lugte hinter einem Baumstamm hervor.
»Aber …?«, fragte Burnett, der wohl gemerkt hatte, dass sie noch nicht fertig gesprochen hatte.
»Aber ich hab nichts Böses gespürt.« Sie verspürte den Anflug eines
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