Verfolgt im Mondlicht
können wir denn nicht hier reden?«
»Es geht nicht nur ums Reden.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Wärme, die von seiner Handfläche ausging, kam ihr vertraut vor. Und Kylie wusste auch, woher sie diese Art Berührung kannte, und zwar von Holiday und Derek. Hieß das etwa … Ihr Großvater riss sie aus ihren Gedanken. »Du musst mit uns kommen und bei deiner eigenen Art leben.«
»Leben?« Leben? Shadow Falls verlassen? Kylie schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht. Ich gehe doch hier ins Internat.«
»Du verstehst nicht, in welcher Gefahr du schwebst, Kind«, sagte ihr Großvater.
»Wegen … Mario?«, fragte Kylie.
Er zog die Augenbrauen hoch. »Ist Mario bei der FRU?«
»Nein.« Kylie war es unangenehm, über die FRU zu reden. »Er gehört zu einer Gruppe abtrünniger Krimineller.«
»Die einzigen Kriminellen, die du fürchten musst, sind bei der FRU. Sie sind mit eurem Camp verbunden, aber sie sind nicht das, was sie scheinen. Ich bin mir relativ sicher, dass sie für den Tod deiner Großmutter verantwortlich sind.«
Kylie konnte nicht lügen, also nickte sie. »Ich weiß.«
Sein Gesicht verlor jeglichen Ausdruck. »Was weißt du?« Als sie nicht gleich antwortete, fuhr er fort: »Hat sie dir etwas darüber erzählt?« Sein Tonfall war ernst und fordernd.
Kylie war sich nicht sicher, ob sie ihm alles anvertrauen sollte, wollte ihm aber auch nichts verheimlichen. Sie nickte zögerlich. »Sie war noch von der Operation betäubt, die sie auch an dir vorgenommen haben. Sie haben sie umgebracht.«
Zorn trat in seine blauen Augen, und seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Diese mordenden Schweine! Du gehst nicht in diese Schule zurück – nur über meine Leiche!«
Kylie versuchte, nicht auf diese Drohung einzugehen. Aber ja, sie sah es als Drohung. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. »Ich verstehe ja, wie du dich fühlst. Ich war auch total außer mir. Aber Burnett hat mir versichert …«
»Burnett arbeitet für die!«, brauste ihr Großvater auf, und sogar die Bäume schienen unter seinem Zorn zu erbeben.
Kylies Großtante trat zu ihm und legte ihm eine Hand auf den Arm. Kylie dachte an die Wärme, die von ihrer Berührung ausgegangen war. War ihre Großtante eine Fee? Oder Halbfee?
»Ja«, meinte Kylie. »Er arbeitet für die FRU, aber er hat mir versichert, dass die Leute, die dafür verantwortlich waren, nicht mehr für die Organisation arbeiten. Und …«
»Und du vertraust denen, nach allem, was du weißt? Du vertraust ihm, wo du weißt, wem er untersteht?«
»Ich vertraue nicht der FRU, sondern Burnett«, stellte Kylie richtig. »Er ist auf unserer Seite. Und noch mehr vertraue ich Holiday.«
»Du bist naiv und jung. Du weißt nicht, was für dich am besten ist.«
Sie versuchte, das nicht als Beleidigung aufzufassen. »Jung schon, aber nicht sehr naiv«, meinte Kylie. »Ich folge nur meinem Herzen.«
»Dein Herz wird dich falsch leiten«, sagte ihr Großvater. »Meins hat es jedenfalls getan. Ich hab ihnen vertraut. Ich war blind und hab nicht gesehen, wer sie wirklich waren. Heidi wusste es … oder sie hat es zumindest vermutet, aber ich hab nicht auf sie gehört.«
»Es tut mir leid«, sagte Kylie leise. »Aber ich kann nicht …«
»Du kannst wohl«, befahl er.
»Nein, Malcolm! Das muss das Kind selbst entscheiden.« Ihre Großtante redete mit ihrem Großvater, ihr Blick war jedoch auf Kylie gerichtet. Sie sah nicht wütend aus, aber dafür ziemlich enttäuscht. Es tat Kylie furchtbar leid, den beiden wehzutun, aber jetzt nachzugeben kam nicht in Frage.
Ihr Großvater drehte sich abrupt weg. Seine Besorgnis, seine Wut und sein Verlust hingen in der Luft wie ein lebendiges, atmendes Wesen. Kylie ging zu ihm hin. Obwohl sie Angst hatte, wollte sie ihm gern Trost spenden.
»Ich will deine Gefühle nicht verletzen. Du bist schon genug verletzt worden. Es tut mir sehr leid, dass ich nicht tun kann, was ihr euch wünscht. Aber ich muss den Weg gehen, den ich für richtig halte.« Kylie bemerkte im Augenwinkel eine flüchtige Bewegung am Himmel; sie sah nicht hin, nahm aber an, dass es Perry war. Er hatte sie offensichtlich gefunden. Ihr lief die Zeit davon.
»Und was ist, wenn du falschliegst und ich mit einem weiteren Tod in der Familie klarkommen muss? Von jemandem, den ich nicht mal richtig kennenlernen durfte?«
»Ich glaub nicht, dass das passieren wird«, versuchte Kylie ihn zu beruhigen.
Resigniert starrte er auf den Boden, als wüsste
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