Verfolgt im Mondlicht
sich nicht verstellt, dann ist er böse und dunkel.«
»Wenn er sich nicht verstellt, ist seine Aura dann wie die von Blake?«, fragte Kylie.
»Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher. Ich schätze, es könnte schon sein. Auf Blakes Aura hab ich nie so geachtet. Es ist eine dunkle Aura … die mich heimsucht.« Sie hielt gedankenverloren inne. »Irgendwas sagt mir, dass ich den Mann kenne, der es getan hat.« Wieder verstummte sie, als wäre ihr noch ein anderer Gedanke gekommen. Und ihrem Gesichtsausdruck zufolge war es kein positiver. »Er glaubt, dass ihm das Töten Macht gibt – deshalb tut er es. Und als ich neulich in Shadow Falls war, hab ich gespürt, dass er in der Nähe war. Ich hab ihn gespürt, und ich wusste es. Ich wusste, dass ich wegen ihm nach Shadow Falls gekommen bin. Er ist nicht zufrieden damit, mich getötet zu haben. Er will Holiday.« Ihre Worte schienen noch eine Weile in der Nachtluft zu hängen. Plötzlich riss Hannah den Kopf zurück und schaute in den schwarzen Himmel.
»Was ist denn?«, fragte Kylie, die schon befürchtete, der Killer wäre wieder in der Nähe.
»Ich glaube, da oben ist der komische Gestaltwandler aus dem Camp. Der Kerl mit den blonden Haaren und den Augen, die die ganze Zeit die Farbe wechseln.«
Jetzt, wo Kylies Angst vor einem mordenden bösen Wesen nachließ, konnte sie wieder klarer denken. Wenn Perry sie gefunden hatte, dann würde Lucas auch nicht weit sein. Und Burnett ebenfalls. Um sich vor Blicken aus der Luft zu schützen, stellte sich Kylie möglichst nah an den Torpfosten. Dann sah sie zu den toten Gesichtern, die aussahen wie die Wächter des Friedhofs. Kylie fragte sich, ob die Geister sie wiedererkennen würden. Sie war sich nicht mal sicher, ob sie schon wussten, dass Kylie sie sehen konnte. Aber eine Sache war sicher: Wenn sie jetzt nicht reinging, würde sie ihren Großvater bestimmt verpassen.
Kylie wandte sich wieder Hannah zu, die immer noch in den Himmel schaute. »Hat er uns gesehen?« Kylie fasste ans Tor, um es zu öffnen.
»Sie ist es. Ich hab euch doch gesagt, dass sie es ist« , sagte eine aufgeregte Geisterstimme hinter dem Tor. Dann streckten die Geister ihre Arme durch die Gitterstäbe des Tors, um sie zu berühren. Kylie konnte nur noch die vielen Arme sehen, die sich ihr zwischen den rostigen Stäben entgegenreckten. Kälte kroch in ihr hoch, und sie spürte sie bis auf die Knochen. Sie biss sich auf die Unterlippe und kämpfte gegen Schmerz und Panik an, während sie das Tor aufschob.
»Mich kann er ja nicht sehen. Ob er dich gesehen hat, weiß ich nicht«, erklang Hannahs Stimme hinter ihr. Das Tor war offen, und für einen kurzen Augenblick stoben die Geister auseinander, doch sobald Kylie einen Fuß auf den Friedhof gesetzt hatte, umringten sie sie von allen Seiten. Eine Eisschicht bildete sich auf Kylies Lippen. Der plötzliche Schmerz war so heftig, dass es fast nicht auszuhalten war. Sie zwang sich, schnell ein paar Schritte weiterzugehen, was ihr eine kurze Atempause verschaffte.
Sie schaute zu Hannah zurück. Furcht lag in deren Blick – ein Blick, der genauso tot war wie die Blicke der Geister vom Friedhof, die jetzt wieder näher rückten.
»Ich kann nicht mit reinkommen«, erklärte Hannah. »Einer von denen könnte ein Todesengel sein. Wenn die mich in die Hölle schicken wollen für meine Sünden, sollen sie das ruhig tun. Ich hab es verdient. Aber nicht bevor ich weiß, dass Holiday in Sicherheit ist.«
»Ich glaub nicht, dass sie dich in die …« Kylie brach ab, als sie sah, wie Hannah anfing, sich in Luft aufzulösen.
»Rette sie für mich, Kylie. Bitte, rette meine Schwester!«, hallten Hannahs Worte in der Dunkelheit.
Die Geisterkälte rückte näher. »Bitte«, versuchte es Kylie und sah dabei von einem toten Gesicht zum nächsten, »gebt mir ein bisschen Raum.«
Die Geister wichen ein wenig zurück. Kylie sah zurück, in der Hoffnung, jemanden zu entdecken, der aus ihrer Welt stammte. Doch ihre Hoffnungen wurden zerschlagen. Wo sie auch hinschaute, sah sie nur Tod.
Allerdings war ihre Sicht durch die Dunkelheit, die über den Grabsteinen lag wie ein schwarzer Schleier, auch stark eingeschränkt. Kylie wusste von ihren vorherigen Besuchen auf dem Friedhof, dass er riesig war. Würde ihr Großvater merken, dass sie hier war? Schnell verdrängte sie den Gedanken, dass es auch nicht ihr Großvater sein könnte, der auf sie wartete und der ihr die E-Mails geschickt hatte.
Sie ging weiter, doch
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