Verfolgt
habe ich mein Schminktäschchen zu Hause gelassen, darum muss ich den Gästen gegenübertreten, wie ich bin. Die Bar ist rappelvoll. Ich quetsche mich zwischen den Tischen durch und sammle leere Gläser ein. Da legt mir jemand die Hand auf die Schulter.
»Tag, Süße!«, sagt Owen. Ich hatte keine Ahnung, dass er heute Abend hier ist. Er sitzt mit drei anderen Männern am Tisch. Der eine ist der Typ aus dem Laden mit der unmöglichen Frisur. Wie er heißt, habe ich vergessen, ich weiß nur noch, dass sein Hund »Kröte« heißt. Kröte sitzt unterm Tisch und glotzt mich an. »Wird Zeit, dass du die Blutsbrüder kennenlernst«, sagt Owen. Ich ducke mich unter seiner Hand weg. Die drei Männer sehen sich verblüffend ähnlich. Alle drei haben dichtes braunes Haar, das ihnen tief in die Stirn wächst, und leuchtend blaue Augen. Bestimmt sind sie miteinander verwandt.
»Das ist Lucas, meine rechte Hand«, stellt mir Owen den einen vor. »Lucas, das ist meine neue Stieftochter.« Igitt!
»Na, Schätzchen – so sieht man sich wieder«, sagt Lucas. Heute trägt er ein rosa, supersorgfältig gebügeltes Hemd und riecht aufdringlich nach Rasierwasser. Er wendet sich an Owen. »Ist sie denn schon sechzehn?«
|115| »Sie können meine Mutter fragen«, sage ich, »die sitzt grade vorn am Empfang.« Die Männer lachen. Ich nicht.
»Ich bin Matty. Ich bin Owens linke Hand«, stellt sich der Nächste vor. Er ist stämmig und trägt die dunklen Haare kurz und hochgegelt. »Wetten, du hast noch nie Drillinge getroffen?«
»Stimmt.« Ich tue gleichgültig, aber am liebsten würde ich rasch mein Handy rausholen und Moz ein Foto von den dreien schicken.
Stell dir vor, wen ich grade kennengelernt habe …
»Ich muss jetzt weiterarbeiten.«
»Und der hier ist Johnny«, sagt Owen. »Lass dich nicht davon abschrecken, dass er so groß ist. Man braucht nur zu husten, dann fällt er um, so schwächlich ist er.« Sogar im Sitzen überragt Johnny die anderen. Er trägt eine rot karierte Holzfällerjacke und müsste sich mal rasieren. Ich mustere ihn kühl und er wird rot und schaut weg.
»Lexi kann mich nicht ausstehen.« Owen grinst über seine ganze attraktive Visage. »Stimmt’s, Lexi?«
»Echt?«, gebe ich zurück und will gehen, aber Owen hält mich am Handgelenk fest.
»Ist sie nicht niedlich?« Sein Bieratem schlägt mir entgegen. Mir schießt das Blut in die Wangen, als mich alle vier Männer abschätzig mustern. »Ich bin ab morgen drei Tage weg«, verkündet Owen. »Werd ich dir fehlen?«
»Nein.« Ich blicke auf seine fleischige Hand. »Lass mich bitte los.«
Owen denkt gar nicht dran. »Ist ’ne große Sache diesmal. |116| Vielleicht komm ich sogar ins Fernsehen. Ich begleite Nyasha Agruba in ihre Heimat.«
»Es heißt, sie will sich wehren«, wirft Matty ein. »Nimm dich bloß in Acht, Kumpel.«
»Jetzt lass Lexi schon los, Owen«, mischt sich Johnny ein. »Sie ist zum Arbeiten hier.«
»Uups! Tschuldigung, Lexi … ich hab bloß schon mal meinen Polizeigriff geübt.« Owen zwinkert seinen Freunden zu.
Ich winde meinen Arm aus seinem schweißfeuchten Griff und fauche ihn an: »Ich kapier nicht, wie du noch in den Spiegel schauen kannst!«
Owen lacht bloß. »Ich hab die Gesetze nicht erfunden, Süße. Ich tue nur meine Pflicht. Ich verdiene Geld, damit du ein Dach über dem Kopf hast.« Mir fällt wieder der Fernsehbericht über Nyasha Agruba ein. Sie hat sehr klein und verletzlich ausgesehen.
»Behandle die Frau wenigstens anständig«, sage ich.
»Werd meine Samthandschuhe anziehen«, erwidert Owen und alle lachen, nur Johnny nicht, der sieht ein bisschen verlegen aus.
»Das ist alles halb so wild. Nur die Medien machen ein solches Trara darum«, sagt er. Er hat eine leise, heisere Stimme. »Horrorstorys verkaufen sich eben besser.«
»Das können Sie ja mal Nyasha Agruba erzählen«, gebe ich zurück und gehe endlich weiter. Hinter mir höre ich es kichern. Ich flüchte mich durch die Schwingtür in die Küche und kühle meine heißen Wangen am Aluminiumkühlschrank. |117| Was ist bloß mit mir los? Sonst lasse ich mich von so einer Anmache doch auch nicht aus der Ruhe bringen. Ich werde noch das reinste Weichei.
Ella kommt reingestürmt. »Geht’s dir nicht gut, Kleine?« Ich erzähle ihr alles.
»Puh!«, macht sie. »Die Neasdon-Drillinge sind widerliche Typen, bloß Johnny nicht, der ist cool. Er ist so groß, dass er’s nicht nötig hat, sich aufzuspielen. Den beiden anderen geht man
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