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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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hole mir Mutters Rad und schiebe es auf die menschenleere Straße.
    Ich trete kräftig in die Pedale, sause durch die Straßen und Gassen. Es kommt mir vor, als könnte ich ewig so weiterradeln. Es sind keine Autos unterwegs und ich bin in knapp zwanzig Minuten am Waldrand. Ich schiebe das Rad den Waldweg entlang. Zum Glück scheint der Mond, aber es ist trotzdem ziemlich dunkel. Ich will mir lieber nicht ausmalen, was alles in den Bäumen lauert.
    Ich stapfe weiter. Hier riecht es gut, frisch und nach Erde, aber mein allerliebster Geruch ist der von Benzin. Früher bin ich oft mit Dad zum Tanken gefahren. Dann habe ich immer die Fenster runtergelassen und geschnuppert. Vielleicht war ich auch einfach nur gern mit ihm zusammen und der Geruch gehörte eben dazu. Ich blinzle, weil mir die Tränen kommen, und gehe schneller.
    Ich weiß noch, wie ich das erste Mal herausgefunden habe, dass Dad nicht ganz sauber ist. Da war ich acht oder so. Ich habe Dad angebetet. Er war immer für mich da. Er ist mit mir Klamotten kaufen gegangen und hat dafür gesorgt, dass immer was zu essen im Haus ist. (Kochen kann er zwar nicht, das musste ich machen, aber er hat oft Fastfood mitgebracht.) Eines Tages waren wir wieder mal an der Tanke, da kam eine alte Dame auf wackligen Beinen angerannt, hat die geballte Faust geschwenkt und Dad |190| wüst beschimpft. Ich habe gestaunt, dass eine kleine alte Dame solche Ausdrücke kennt. Die Alte hat Dad beschuldigt, er hätte ihrem Sohn ein geklautes Auto angedreht. Inzwischen war der rechtmäßige Besitzer aufgetaucht. Dad hat sich gar nicht um die Frau gekümmert und hat mich einfach ins Auto geschoben. Als ich ihn hinterher gefragt habe, worum es da ging, hat er gesagt, ich soll den Mund halten.
    Ungefähr ein Jahr danach in den Weihnachtsferien war mir furchtbar langweilig. Dad war wieder mal unterwegs und wir Kinder waren allein zu Hause. Ich hatte Besuch von Moz. Wir haben irgendwelchen Blödsinn gemacht und irgendwann landeten wir in der Garage. Dort war es saukalt. Wir haben uns auf ein paar alte Reifen gesetzt und versucht, eine Kippe zu rauchen, die wir in Dads Manteltasche gefunden hatten. Moz fiel auf, dass hinten in der Garage irgendwas mit einer großen blauen Plane abgedeckt war.
    »Was ist das?«, hat sie gefragt. Ich fand den abgedeckten Haufen nicht sehr spannend. Dad hatte gerade eine Flohmarktphase und bei uns lag immerzu irgendwelcher Krempel rum. Ich hab’s nicht gern, wenn alles vollsteht, und mache mir nichts aus solchem Zeug, aber Moz ist hingegangen und hat die Plane angehoben. Darunter waren lauter schwarze Plastiksäcke gestapelt, diese extradicken. Müll, dachte ich, oder Flohmarktkram, aber Moz, wie sie nun mal ist, musste unbedingt einen Sack aufreißen. Darin waren lauter CDs, ein paar Fotoapparate und sogar ein |191| Mikrofon und anderer Technikkram, von dem wir nicht wussten, wozu er gut ist. Im nächsten Sack steckten mehrere Laptops, eine Lederjacke und Computerspiele.
    »Was macht dein Dad mit den ganzen Sachen?«, wollte Moz wissen. Ich hatte keine Ahnung. Dann ist Devlin reingekommen und hat uns weggejagt. Ich wollte erst nicht, aber er hat mich gehauen und außerdem war uns sowieso zu kalt.
    Als ich abends Dad gelöchert habe, was es mit den Sachen auf sich hat, meinte er, sie wären für den Flohmarkt. Ich hätte die CDs gern durchgeschaut, ob vielleicht eine für mich dabei ist, aber ich durfte nicht. Nach ein paar Tagen waren die Säcke verschwunden.
    Es dauerte nicht lange, da fand ich heraus, worum es sich in Wirklichkeit handelte.
    Devlin und ich haben uns auch damals schon immer mal wieder richtig in die Haare gekriegt. Oft ging es nur um Kleinigkeiten, zum Beispiel wer bestimmen darf, was im Fernsehen geschaut wird (dabei hatten wir jeder einen eigenen Fernseher im Zimmer), oder Devlin hat einfach Streit gesucht. (Habe ich schon erwähnt, dass mein Bruder
voll
gestört ist?) Meistens ging es ziemlich schnell zur Sache. Dann musste Dad kommen und dazwischengehen, oder Devlin wurde brutal und ich bin weggelaufen.
    Der Streit, den ich meine, war jedenfalls echt der Hammer.
    Wie immer ging es eigentlich um nichts Wichtiges. Devlin brauchte einen Stift und ging in mein Zimmer. Er |192| hatte mich vorher nicht gefragt, und als ich reinkam, erwischte ich ihn dabei, wie er in meinen Sachen rumwühlte. Ich brüllte sofort los und beschimpfte ihn als Schnüffler oder so, und wozu er überhaupt einen Stift braucht, wo er nicht mal richtig schreiben kann

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