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Verfolgt

Verfolgt

Titel: Verfolgt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Kennen
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umdreht und in der Nacht verschwindet. Ich warte einen Augenblick, um ganz sicherzugehen, dass er nicht noch mal zurückkommt, aber er bleibt verschwunden. Ich leuchte mit der Taschenlampe den Weg vor mir ab. Die Abenteuerlust ist mir vergangen. Soll ich lieber wieder nach Hause fahren? Es ist einfach zu dunkel und das Monstervieh überlegt es sich womöglich anders. Dad fällt mir ein, wie er weit weg in einer Gefängniszelle schmachtet, und mir kommen die Tränen.
    »Lexi!«
    Ich drehe mich um und Kos steht im Schein der Taschenlampe hinter mir. Woher hat er gewusst, wo ich bin? Jetzt bin ich sicher, dass er seine Hunde als Frühwarnsystem einsetzt. Er trägt ein schmutziges weißes Hemd und eine kurze Hose. Über der Schulter hat er eine alte Sporttasche.
    »Lexi traurig«, sagt er.
    »Nicht so schlimm«, sage ich.
    Kos greift nach dem Rad und schiebt es in den Graben |197| am Wegrand. Dann nimmt er mich bei der Hand und führt mich in den Wald.
    »Was willst du mir denn diesmal zeigen?«, frage ich und ducke mich unter einem niedrigen Ast weg. »Deine Eichhörnchenfallen?« Kos dreht sich bloß um und grinst mich an. Er kapiert nicht, wovon ich rede. Wir marschieren immer weiter und meine Laune wird wieder besser. Allein würde ich mich zu Tode fürchten, aber an Kos’ Hand ist es richtig aufregend. Keiner weiß, wo ich bin, und es gefällt mir, dass Kos meine Hand nicht loslässt. Ich ziehe Bilanz. Hier bin ich, Lexi Juby, mitten in der Nacht, weit weg von zu Hause, streife mit einem verwahrlosten Jungen, der kaum sprechen kann und den ich kaum kenne, und einer Meute verwilderter Hunde durch den finsteren Wald. Ob ich auch hier wäre, wenn ich nicht so einen beschissenen Tag hinter mir hätte? Wie dem auch sei, Kos hat mir das Leben gerettet, außerdem bin ich ihm inzwischen schon zweimal bei Tag begegnet und alles war in Ordnung.
    Ich vertraue ihm.
    Es ist gar nicht so dunkel, wie ich dachte, trotzdem lasse ich Kos nicht los. Ich habe keine Lust, mich noch mal zu verlaufen. Wir gehen zwischen den säulenartigen Tannenstämmen stetig bergauf. Dann kommen wir an eine Stelle, wo die Tannen anderen Bäumen Platz machen, Buchen vielleicht. Auch diese Bäume sind ordentlich in Reihen gepflanzt.
    Wir sind ungefähr zehn Minuten gelaufen, als Kos »Da!« sagt.
    |198| Vor uns liegt die höhlenartige Öffnung, die ich gestern vom Baum aus gesehen habe.
    Kos sieht mich eindringlich an. »Ist geheim, Lexi, okay?«
    »Okay. Kannst dich auf mich verlassen.« Kos schiebt ein paar Farnwedel beiseite und wir gehen hinein.
    Es ist eine enge Höhle mit steilen Schieferwänden. Wir müssen hintereinandergehen. Als ich an die Decke schaue, sehe ich einen Stern leuchten und begreife, dass wir gar nicht in einer Höhle sind, sondern in einer schmalen Schlucht mit Gestrüpp und erdverklebten Baumwurzeln als Dach. Es geht immer steiler abwärts und ich komme mir vor wie auf einer Reise zum Mittelpunkt der Erde.
    Auf einmal tut sich vor uns ganz unerwartet eine Leere auf. Ich rutsche aus. Steine poltern in die Tiefe und Kos hält mich am Arm fest. Ich leuchte mit der Taschenlampe hierhin und dorthin. Wir stehen in einer großen, tiefen Grube, die an eine Mondlandschaft erinnert. Steile, zerklüftete Wände umgeben uns. Anscheinend sind wir in einem Steinbruch gelandet. Nicht weit entfernt brennt ein kleines Lagerfeuer. Wir klettern den Abhang hinunter und langsam erkenne ich mehr von meiner Umgebung. Ganz unten in der Grube schimmert im Dunkeln eine große Wasserfläche. Auf halber Höhe steht auf einer Art Rampe ein verlassenes Baufahrzeug und ein mit einer zerfetzten Plane abgedeckter Schuppen lehnt an einem Busch.
    Ich klammere mich an Kos. Hinter dem Busch hat sich doch eben etwas bewegt! Ich sehe noch mal hin. Dunkle |199| Umrisse scheinen aus dem Boden zu wachsen und kommen auf uns zugestürmt.
    Die Hunde!
    Ich stelle mich rasch hinter Kos. Die Hunde springen an ihm hoch und lecken ihm die Hände. Kos wehrt sie ab und redet in einer fremden Sprache freundlich auf sie ein.
    »Also hier versteckst du sie?«, erkundige ich mich.
    Kos nickt lächelnd, greift in seine Sporttasche und wirft den Hunden Würste und Fleischbrocken hin. Sie stürzen sich vor Gier sabbernd drauf und ich muss wegschauen.
    Dann streckt Kos die Hand nach mir aus und ich denke noch: Jetzt ist NICHT der richtige Augenblick zum Knutschen!, aber er wickelt mir nur Mutters Schal vom Hals. Er tut so, als ob er mit dem zusammengeknüllten Stoff in seiner Achselhöhle

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