Verführ mich nur aus Liebe
vielsagendem Blick musterte sie Ellies Nachthemd, das auf dem Boden vor dem Bett lag.
Nein, dachte Ellie bedrückt. Weil er entdeckt hat, dass er im falschen Zimmer bei der falschen Frau ist. Aber sie konnte es nicht laut aussprechen. Das hätte alles nur noch schlimmer gemacht.
Angelo deutete auf seine Kleidung am Boden. „Dürfte ich mich vielleicht anziehen, bevor wir weiterreden?“
„Zuerst ist meine Patentochter dran.“ Die Principessa Damiano nahm Ellies Morgenmantel von einem Stuhl und kam damit zu ihr. „Mein Kind, zieh das an und komm mit uns in den salotto.“ Danach sagte sie zu Angelo Manzini: „Und Sie haben die Freundlichkeit, uns zu folgen, sobald Sie fertig sind, Conte Manzini.“
Mit dem Rücken zu ihm zog Ellie rasch den Morgenmantel an. Als sie den Gürtel zuband, stellte sie fest, dass ihre Hände zitterten. Sie fühlte sich den Tränen nahe. Das alles war völlig verrückt. Es kam ihr wie eine schlechte Komödie vor … allerdings gab es in ihrem Fall keinen letzten Akt, in dem alle Verwicklungen und Missverständnisse aufgeklärt wurden. Denn dazu müsste Silvias Rolle aufgedeckt werden, und das durfte nicht geschehen.
Angelo Manzini hatte offenbar damit gerechnet, dass ihre Cousine ihn erwartete. Doch Silvias Zimmer befand sich am anderen Ende der Villa. Weshalb hatte er geglaubt, dass sie im Turm untergebracht wäre? Und was war das für eine Geschichte von einem angeblichen Eindringling im Garten? Wer hatte ihn gesehen? Jede Frage schien eine neue aufzuwerfen. Und Ellie gefielen die Antworten gar nicht, die sich ihr dabei aufdrängten.
Schließlich betraten sie den salotto. Giovanni hatte die Lampen eingeschaltet und Kaffee gebracht und zog sich nun diskret zurück.
Lucrezia Damiano schenkte einen Brandy ein, den sie Ellie reichte. „Ich habe Giovanni gebeten, dir ein anderes Zimmer herzurichten. Sicherlich willst du nicht in den Turm zurück.“
Nein, dachte Ellie traurig. Nie wieder in meinem Leben. Heute Nacht habe ich meinen Glauben an Märchen verloren.
„Danke“, erwiderte sie laut und nippte an dem Brandy. „Aber ich schwöre dir – und Ihnen auch, Contessa“, sagte sie zur Großmutter des Conte, „es ist wirklich nichts passiert.“
„Sie bezeichnen das beschämende Verhalten meines Enkels als nichts? Er hat die Gastfreundschaft Ihrer Patentante missbraucht – und das ist für Sie nichts?“, gab die Contessa frostig zurück. „Wollen Sie sagen, dass Sie auch für gewöhnlich Ihr Bett mit Fremden teilen? Dass man diese unverzeihliche Beleidigung mit einem Lachen abtun sollte? Ich bezweifle, dass der Principe Damiano Ihnen zustimmen würde.“
Ellie spürte, dass sie rot wurde. „Nein, natürlich nicht. Muss er es denn unbedingt erfahren?“
„Das denke ich schon“, erklärte die Contessa, „bevor ihm die Geschichte von anderer Seite zu Ohren kommt. Leider ist Carlo Barzado Zeuge des Geschehens geworden. Er wird seiner Frau davon erzählen … und dann weiß es bald alle Welt.“
Ellie atmete scharf ein. „Ach herrje, bitte nicht!“
„Das ist nicht zu vermeiden“, meinte die Contessa.
Die Principessa setzte sich neben Ellie und nahm ihre Hand. „Wahrscheinlich hat der Conte Manzini – vielleicht während des Abendessens – irgendeine Andeutung gemacht, dass er dich attraktiv findet, mein Kind“, sagte sie freundlich. „Und du hast dich geschmeichelt gefühlt und ihm Grund zu der Annahme gegeben, dass du ihn später auf deinem Zimmer erwarten würdest. War es so?“
Ellie presste die Lippen zusammen. Die Wahrheit durfte sie nicht offenbaren. „Wenn es so war, dann unbeabsichtigt.“
„Aber ich denke, wir müssen davon ausgehen und entsprechend handeln.“ Der Ton ihrer Patentante verriet, dass sie keinen Widerspruch duldete. Sie blickte zur Tür. „Der Conte Manzini wird dem sicher zustimmen.“
Er schien ein besonderes Talent zu besitzen, ein Zimmer lautlos zu betreten. Wieder einmal hatte Ellie sein Kommen nicht gehört. Er lehnte lässig im Türrahmen und lauschte dem Gespräch mit unergründlicher Miene. Ellie ließ sich jedoch nicht täuschen. Deutlich spürte sie den Zorn, der in ihm brodelte.
Aber warum? fragte sie sich. Ich bin unschuldig, und das weiß er genau …
Langsam kam Angelo auf sie zu. „Ich bedaure das alles zutiefst, Signorina Blake. Ich dachte, ich hätte eine Einladung erhalten – es war ein Missverständnis. Ein unverzeihlicher Fehler. Ich möchte – naturalmente – mein Verhalten wiedergutmachen, wie
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