Verführ mich nur aus Liebe
Stunde später hörte sie irgendwo im Haus eine Uhr schlagen. Unschlüssig schaute sie zur Tür. Hatte er es sich nun doch anders überlegt? Fand er, dass das gemeinsame Trinken aus dem Kelch als Liebesbeweis für seine Bediensteten ausreichte?
Hoffnungsvoll klappte Ellie das Buch zu. Gerade wollte sie die Nachttischlampe ausknipsen, als die Tür aufging und Angelo hereinkam. Leise schloss er die Tür hinter sich und sah Ellie überrascht an.
„Ich dachte, du würdest längst schlafen.“
Mit plötzlichem Herzklopfen bemerkte sie, dass er nur mit einem knielangen Morgenmantel aus schwarzer Seide bekleidet war. Dieser Anblick weckte sofort die Erinnerung an die Nacht im Turmzimmer, als sie für einen kurzen Moment nackt in seinen Armen gelegen hatte. „Ich … habe noch gelesen“, erwiderte sie heiser.
„Das muss ja ein spannendes Buch sein, wenn es dich so lange wach gehalten hat.“ Angelo ging um das Bett herum und löste den Gürtel seines Morgenmantels.
„Was … machst du da?“, fragte sie nervös.
„Ich mache mich fürs Bett fertig, naturalmente .“
„Aber das ist unmöglich! Du kannst doch nicht … hier schlafen.“
„Hast du etwa geglaubt, dass ich die Nacht auf der Chaiselongue verbringen würde? Dann hast du dich nämlich gründlich geirrt.“
„Okay, also schlafe ich eben auf der Chaiselongue.“ Ellie schlug die Bettdecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett.
„Und ich ziehe es vor, dass du genau hier bleibst“, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. „Ich rate dir, meinem Wunsch zu folgen, Elena. Nur so können wir beide eine friedliche Nacht verbringen. Solltest du dich widersetzen, müsste ich dich in dieses Bett zurückholen. Und das könnte Konsequenzen haben, die dir nicht gefallen würden.“ Er ließ seine Worte einen Moment wirken, bevor er hinzufügte: „Und nun knips das Licht aus und entspann dich. Bald hast du vollkommen vergessen, dass ich überhaupt hier bin.“
Ellie fügte sich seufzend. Sie konnte das Risiko nicht eingehen, sich zu widersetzen. Also schlüpfte sie wieder unter die Decke und schaltete die Nachttischlampe aus. Das Zimmer war mit einem Mal in völlige Dunkelheit getaucht. Sie spürte, wie Angelo sich neben ihr ausstreckte – in sicherer Entfernung.
Die Kissen kühlten ihre heißen Wangen. Das hier war Neuland für sie, und sie hatte einfach Angst. Wie sollte sie je vergessen, dass er neben ihr im Bett lag?
Angelo dagegen schien keine großen Schwierigkeiten damit zu haben, ihre Anwesenheit zu ignorieren. Nur Minuten später verriet sein ruhiges, gleichmäßiges Atmen, dass er eingeschlafen war. Ellie lag hellwach da und wagte es nicht, sich zu rühren. Still zählte sie die endlosen Minuten, bis diese Nacht vorüber sein würde. Wie viele solcher Nächte müsste sie wohl bis zum Ende dieser Scheinehe so verbringen?
Drei Monate später
Ellie klappte ihren Laptop zu und streckte sich zufrieden. Soeben hatte sie die Übersetzung eines wissenschaftlichen Handbuchs vollendet. Das Werk war mit Fachausdrücken gespickt, die eigentlich nur Eingeweihte kannten. Deshalb hatte die Arbeit auch ihre gesamte Aufmerksamkeit verlangt. Ihre persönlichen Probleme waren dabei ein wenig in den Hintergrund gerückt. Eine Ablenkung, die sie als angenehm empfunden hatte.
Oberflächlich betrachtet hatte sie sowieso nur wenig Grund zur Klage. Wie vermutet hatte sie sich schnell mit den Abläufen im Haushalt vertraut gemacht. Angelo wiederum hielt sich peinlich genau an sein Versprechen, was ihr Zusammenleben betraf: Jeder führte sein eigenes Leben, so weit es eben möglich war. Seit der Hochzeitsnacht hatte er dreimal in ihrem Schlafzimmer übernachtet – um den Schein zu wahren. In dem großen Bett hatten sie jedes Mal möglichst viel Abstand zueinander gehalten. Nicht ein einziges Mal hatte er versucht, sie zu berühren.
Natürlich hätte sie sich das auch nicht gewünscht. Nein, sie konnte ja froh sein, dass er genauso davor zurückschreckte wie sie! Es hatte auch keine Wiederholung dieses wilden, leidenschaftlichen Kusses gegeben. Stattdessen begnügte sich Angelo beim Kommen und Gehen mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange oder die Hand – und das auch nur, wenn andere Leute dabei waren.
Gelegentlich fragte sie sich, ob das ewig so weitergehen würde und sie den Rest ihres Lebens ungeliebt und einsam zubringen müsste. Doch sie behielt diese Gedanken für sich und versuchte, sie zu verdrängen.
Selbstverständlich würde
Weitere Kostenlose Bücher