Verführ mich nur aus Liebe
irgendwann der Richtige für sie kommen. Wenn das alles vorbei war und sie wieder in ihr richtiges Leben zurückkehrte. Damit tröstete sie sich immer wieder.
Doch von einer anderen Seite stand sie unter einem unerwarteten Druck, der ihr zunehmend Probleme bereitete. Es hatte vor sechs Wochen begonnen, als ihre Patentante sie zum Mittagessen nach Largossa eingeladen hatte. „Keine große Sache, mia cara … Nur wir Frauen unter uns.“
Ellie hatte sich ehrlich gefreut, Nonna Cosima wiederzusehen. Nicht ganz so begeistert war sie von der Begegnung mit Signora Luccino gewesen, die sie nun Zia Dorotea nennen sollte. Aus irgendeinem Grund glaubte Angelos Tante, Ellies Heirat mit ihrem Neffen wäre allein ihr Verdienst gewesen – und sie erwartete offenbar Anerkennung dafür. Wenigstens hatte sie auch ihre Tochter Tullia mitgebracht, die Ellie wirklich gern mochte.
Der Aperitif war kaum serviert, da ließ Signora Luccino die erste Bombe fallen. „Du siehst sehr gut aus, cara Elena“, erklärte sie in ihrem typischen gebieterischen Ton. „Geradezu blühend, könnte man sagen. Hast du möglicherweise eine gute Nachricht für uns?“
Ellie stellte ihr Glas Prosecco bewusst sorgsam auf den Tisch. Im Stillen zählte sie langsam bis zehn, um nicht laut zu schreien. Es entging ihr nicht, dass ihre madrina und Nonna Cosima einen besorgten Blick tauschten und Tullia ihre Mutter wütend ansah. Das änderte jedoch nichts mehr. Die Worte waren ausgesprochen. Die Frage, ob sie schwanger war, stand im Raum und verlangte nach einer Antwort.
Die sie natürlich nicht geben konnte. Ellie rang sich ein Lächeln ab. „Ich habe das Wochenende in Porto-Vecchio verbracht und deswegen vermutlich ein wenig Farbe bekommen. Die frische Luft und das Meer.“
„Ich hoffe, Angelo hat von der Arbeitspause genauso profitiert“, gab Signora Luccino spitz zurück. „Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, wirkte er etwas abgespannt.“
Ellie presste die Lippen zusammen. „Er konnte mich nicht begleiten, weil er … andere Verpflichtungen hatte.“ Sie hatte ihn nicht weiter danach gefragt und hatte es auch gar nicht wissen wollen. „Außerdem wäre die Casa Bianca auch nicht sein Fall. Sie ist doch viel zu … schlicht.“
„Soll das heißen, dass er dich nie dahin begleitet hat?“, fragte Angelos Tante empört. „Dass du allein hinfährst, obwohl ihr erst wenige Monate verheiratet seid?“
„Ach Mamma“, mischte sich Tullia gereizt ein. „Nur weil man verheiratet ist, macht man doch nicht alles zusammen.“
„Das sollte aber besser so sein“, antwortete ihre Mutter streng. „Schließlich steht der Fortbestand einer alten Familie auf dem Spiel. Angelo braucht einen Erben – und vielleicht sollte man ihn daran mal erinnern.“
„Meine liebe Dorotea, wir sollten uns nicht in das Leben der Kinder einmischen. Sie sollen die Freiheit in diesen ersten Monaten ihrer Ehe einfach genießen“, meinte Cosima Manzini sanft. „Ich bin mir sicher, dass die Kinderzimmer in Vostranto noch früh genug benutzt werden.“
„Wohl kaum, wenn Angelo die ganze Woche in Rom ist und Elena an den Wochenenden ohne ihn ans Meer fährt“, widersprach Signora Luccino. „Ich habe meinen Sohn im ersten Ehejahr zur Welt gebracht. Ich wusste, was meine Pflicht war.“
Ellie war froh, dass keine der Anwesenden die Wahrheit über ihre sogenannte Ehe kannte. Glücklicherweise erschien in diesem Moment Giovanni und verkündete, dass das Essen serviert war. Erleichtert atmete Ellie auf.
Allerdings war das Thema damit nicht vergessen gewesen. Wann immer sie Angelos Tante seitdem begegnet war, hatte es kleine Hinweise, Andeutungen oder bedeutungsvolle Fragen nach ihrer Gesundheit gegeben. Und dieser Zustand zerrte immer mehr an Ellies Nerven.
Nachdenklich stand sie jetzt am Fenster und betrachtete ihr müdes Gesicht in der Glasscheibe. Wie aus weiter Ferne hörte sie das Läuten der Türglocke. Unter der Woche kamen nur selten Besucher nach Vostranto – und wenn, dann niemals ohne Einladung oder Ankündigung.
Gespannt drehte Ellie sich um, als Giorgio kurz darauf anklopfte.
„Signora Alberoni ist eingetroffen, Contessa. Ich habe sie in den salotto geführt.“
Im ersten Moment glaubte Ellie, sich verhört zu haben. Silvia … hier? Nein, ich will sie nicht sehen. Schicken Sie sie wieder fort! Der Gedanke kam ihr ganz unmittelbar. Fast meinte sie, dass sie die Worte laut ausgesprochen hätte.
Doch als sie aufblickte, stand Giorgio immer noch da
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