Verführ mich nur aus Liebe
war allein ihre Welt, in der sie ganz sie selbst sein konnte.
Als Ellie nun die Bettdecke zurückschlug, fiel ihr Blick auf den schmalen hellen Streifen am Ringfinger ihrer linken Hand. In Porto-Vecchio hatte sie ihren Ehering nie getragen, weil er in ein anderes Leben gehörte. Diesmal aber hatte sie Vostranto für immer verlassen. Deshalb hatte sie den Ehering und den Schmuck, den Angelo ihr geschenkt hatte, in sein Schlafzimmer gelegt – zusammen mit einem Brief.
Darin hatte sie ihm geschrieben, dass sie ihn verlassen würde und ihnen beiden dadurch weitere Peinlichkeiten und weiteres Unglück ersparen wollte. In einem Nachsatz hatte sie ihm versichert, dass sie nichts von ihm verlangen würde als die Auflösung ihrer Ehe … und dass sie ihm für die Zukunft alles Gute wünschte.
Die Modellkleider und all den anderen Schnickschnack hatte sie in Vostranto gelassen. Die Schubladen und Schränke in der Casa Bianca waren voll mit Wäsche und bequemen Sachen.
In ihrem kurzen Baumwollnachthemd tappte Ellie nun barfuß in die Küche. Während Ellies Abwesenheit hielt die stämmige alte Witwe von nebenan stets ein Auge auf das Haus. Signora Alfredi hatte zur Begrüßung eine Tüte mit Lebensmitteln auf den Küchentisch gestellt, sodass für das Frühstück vorgesorgt war. Später würde Ellie im Ort einkaufen, was sie sonst noch brauchte. Am Abend wollte sie wie gewöhnlich in der kleinen Trattoria am Kai essen, und Santino und Maria würden sie dort herzlich willkommen heißen.
Vertraute Routine, dachte sie. Genau das brauche ich jetzt.
Diesmal dauerte es jedoch einige Tage, bis der Zauber der Casa Bianca allmählich zu wirken begann. Ellie schlief zunächst schlecht. Sie träumte unruhig und hatte tagsüber Mühe, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
Nach ein paar besonders anstrengenden Arbeitsstunden klappte sie den Laptop zu und wollte an die frische Luft gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Auf dem Weg zum Strand ging sie bei Signora Alfredi vorbei, um deren Mischlingsrüden abzuholen. Poco begleitete sie meist bei ihren Spaziergängen. Signora Alfredi selbst war nicht mehr gut zu Fuß, doch ihr kleiner wuscheliger Hund besaß eine beinahe grenzenlose Energie. Deshalb nahm Ellie das Tier mit, wann immer sie im Nachbarhaus war. Alle Beteiligten war mit dieser Lösung vollauf zufrieden.
Auch jetzt flitzte Poco auf seinen kurzen Beinen glücklich neben ihr her, als sie über die Promenade ging und die wenigen Holzstufen zum Strand hinabstieg. Zu dieser Jahreszeit war alles noch fast verlassen. Am Strand war der kleine Hund dann nicht mehr zu halten. Freudig bellend jagte er los und kehrte mit einem Stöckchen zurück, das Ellie für ihn werfen sollte. Dieses Spiel wurde Poco nie langweilig. Natürlich tat ihm Ellie den Gefallen. Währenddessen lief sie langsam am Wasser entlang, das in der Sonne glitzerte.
Als der Hund ihr den Stock schließlich zum x-ten Mal zu Füßen legte, hob sie ihn auf und warf ihn nicht. Sie zog die Espadrilles aus und lief lachend in das flache Wasser hinein. Es kümmerte sie nicht, dass der Saum ihrer abgeschnittenen Jeans dabei nass wurde. Poco kläffte und sprang aufgeregt neben ihr her nach dem Stöckchen, das sie spielerisch außerhalb seiner Reichweite in die Höhe hielt.
Und während Ellie mit dem Hund unbeschwert durch die flachen Wellen tanzte, fiel plötzlich die Anspannung von ihr ab. Zum ersten Mal seit Langem empfand sie wieder so etwas wie Freiheit.
Als sie sich später auf den Rückweg machte, schaute sie aus irgendeinem Grund zur Promenade hoch. Die Sonne blendete. Trotzdem meinte sie, dort oben die dunkle Silhouette eines großen Mannes zu erkennen, der sie zu beobachten schien. Blinzelnd beschattete sie die Augen mit einer Hand. Doch es war niemand mehr da.
Ein letztes Mal warf sie das Stöckchen. Danach rief sie Poco zu sich und ging nach Hause.
An diesem Abend saßen wie immer viele Einheimische in der Trattoria. Ellie setzte sich an ihren Lieblingstisch in der Ecke. Sogleich brachte Santino ihr einen Campari Soda, den sie für gewöhnlich hier trank.
Gerade war die Vorspeise serviert worden. In dem Moment bemerkte Ellie, dass das Stimmengewirr plötzlich verstummt war und eine Art Raunen durch den Raum ging. Neugierig schaute sie hoch – und machte große Augen, als sie den Grund entdeckte.
Er stand lässig auf der Schwelle und sah sich lächelnd um. Selbstsicher und zweifellos sehr attraktiv, schoss es Ellie durch den Kopf. Zwanglos, aber
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